Änderungen bei den Internationalen Wettkampfregeln (IWR)

Kampfrichter beim HochsprungAlle zwei Jahre wird vom Vorstand des Leichtathletik-Weltverbands (IAAF-Council) eine größere Regel-Novellierung beschlossen. Ab 2018 (genauer gesagt eigentlich schon seit 01. November 2017) ist es wieder einmal soweit: ein ganzes Paket neuer Regelungen tritt in Kraft und hat teilweise erhebliche Auswirkungen auf den Wettkampf-Ablauf.

Im Folgenden ein kurzer Überblick über die wichtigsten, Athleten und Trainer unmittelbar betreffende Änderungen (Achtung: derzeit gibt es auch international noch große Bedenken gegen manche Formulierungen, so dass eventuell noch Anpassungen zu erwarten sind. Ebenso gilt es, noch die genaue, „amtliche“ Übersetzung der deutschsprachigen Regelkommission abzuwarten) – der einfachen Lesbarkeit halber werden personenbezogene Bezeichnungen nur in der männlichen Form angeführt, gelten aber selbstverständlich auch in der weiblichen Form. (Anmerkungen des Autors in Kursiv-Schrift):

Hinweis: In den morgen erscheinenden ÖLV-Nachrichten haben wir einige Regeländerungen herausgegriffen und dazu zahlreiche Stellungnahmen von Sportler/innen, Trainer/innen und Funktionär/innen eingeholt.

ALLGEMEINES:

Regel 100: Bei Massenveranstaltungen wie Städtemarathons etc. gelten die (strengen) IWR nur mehr für Elite- bzw. Meisterschaftsfelder. Für die große Anzahl an „reinen Hobbyläufern“ können andere Regeln zum Tragen kommen (z.B. zur Getränkeaufnahme, zum Tragen von elektronischen Geräten etc.)

Regel 125.5: In disziplinären Angelegenheiten ist vom Aufwärmbereich (über den Call Room) bis zur Wettkampfanlage der Call Room-Schiedsrichter zuständig. In allen anderen Fällen ist jener Schiedsrichter zuständig, der für den Bewerb verantwortlich ist, in dem der Athlet startet bzw. gestartet ist.
Ein Schiedsrichter kann künftig nicht nur Athleten, sondern auch alle anderen Personen verwarnen (gelbe Karte) bzw. disqualifizieren (rote Karte) und damit vom Wettkampfbereich und allen damit zusammenhängenden Bereichen (wie zB Aufwärmbereich, Call Room oder Coaching-Zone) entfernen, die sich in einer unsportlichen bzw. unangemessenen Weise verhalten oder unerlaubte Unterstützung geben.

Dr. Reinhard Razen mit Flagge beim Hypo Meeting in GötzisRegel 126.2: Zur Klarstellung wurde explizit normiert, dass jeder Kampfrichter eine bereits getroffene Entscheidung revidieren kann, wenn sie sich als Irrtum bzw. Fehler herausstellt (z.B. irrtümliches Heben der falschen Fahne). Sollte die Änderung durch ihn selbst nicht mehr möglich sein (weil z.B. der Wettkampf schon vorüber ist), hat er den zuständigen Schiedsrichter bzw. die Jury zu informieren.

Regel 141.3 bzw. 147.1: Künftig werden Ergebnisse für Männer-, Frauen- und „universelle“ Bewerbe geführt. Universelle Bewerbe sind solche, bei denen Männer und Frauen gemeinsam in einem Bewerb antreten (z.B. Mixed-Staffeln). Nicht davon betroffen sind „gemischte“ Bewerbe, bei denen z.B. aus Gründen mangelnder Starterzahlen oder aus organisatorischen Gründen zwar Männer und Frauen gemeinsam starten, aber getrennt gewertet werden (z.B. große Städtemarathons).

Regel 142.3:  Neue Anmerkung: einem in mehreren Bewerben „gleichzeitig“ startenden Athleten ist der Antritt in einer geänderten Reihenfolge nicht im letzten Versuch zu gestatten, dies ist nur in den vorhergehenden Versuchen möglich (Ausnahme: Mehrkampf).

Regel 143.2: Alle Arten von verwendeten Schuhen müssen grundsätzlich (für die Allgemeinheit) erhältlich sein – damit sollen Spezialschuhe, die nur für einen Athleten erzeugt werden, verhindert werden.

Regel 143.7:  Nunmehr ist in allen Sprungbewerben nur mehr eine Startnummer verpflichtend – auf Brust oder Rücken – zu tragen. Das Tragen zweier Startnummern ist daher nur mehr in den Lauf-, Geh- und Wurfbewerben vorgeschrieben.

Regel 144.3(f):  Unerlaubte Unterstützung ist auch, wenn von einem anderen Athleten eine physische Hilfe gegeben wird, z.B. Anschieben, nach vorne Schleudern etc., die zu einem Vorteil (im Rennen) verhilft. Davon ausgenommen ist das Aufhelfen vom Boden (nach Stürzen).

Regel 144.4: Erlaubt ist nunmehr auch die Versorgung von Athleten mit Kleidungsstücken (Hüte, Kappen, Handschuhe, Schuhe etc.) an offiziell dafür eingerichteten Stationen, zB Verpflegungsstationen.

Regel 146.4(c): Wenn einem Einspruch bzw. einer Berufung stattgegeben wird, weil ein Athlet fälschlicherweise wegen Fehlstarts disqualifiziert wurde, soll der Athlet die Möglichkeit bekomme,n entweder nochmals (allein) zu laufen oder aber für die nächste Runde qualifiziert werden. Nach Möglichkeit sollte ein Athlet aber nicht (hinauf-)qualifiziert werden, ohne an allen Runden teilgenommen zu haben. Daher sollte ein betroffener Athlet möglichst einen eigenen Lauf (Re-run) durchführen.

Julian Schlosser beim Start in den 400m LaufLAUFBEWERBE:

Regel 161.1: neu: Das hintere Ende des Startblocks (keinesfalls aber ein Teil der Fußstützen) darf – solange kein anderer Athlet dabei behindert wird – über die äußere Bahnbegrenzung hinausragen (wohl nur bei Starts in der Kurve, also für 200m bzw. 400m möglich).

Regel 162.7: Klarstellung:  als Fehlstart wird auch ein „rolling start“ betrachtet, also ein „Hineinfallen“ in den Startschuss, dass aber zum Zeitpunkt des Schusses selbst noch nicht zum Kontaktverlust von Händen und/oder Füßen geführt hat. Wenn der Starter also der Meinung ist, dass die Startbewegung eines Athleten vor dem Schuss begonnen hat und nicht wieder davor beendet wurde (kein „Zurückzucken“), hat er dies als Fehlstart zu werten.

Regel 163.4: Wenn ein Läufer, der gestoßen, gerempelt etc. wurde und dabei in den Innenraum tritt bzw. deswegen seine Bahn (nach innen) verlassen musste und beim Zurückkommen auf die bzw. seine Bahn einen Vorteil erzielt (also zB als Dritter in den Innenraum tritt und als Zweiter nach dem Zurückkommen weiterläuft) ist er zu disqualifizieren – nur Klarstellung, war eigentlich schon bisher von der Regel so umfasst und wurde international auch so ausgelegt.

Regel 163.15(c):  Ein Athlet, der außer halb der offiziellen Stationen Verpflegung oder Wasser empfängt bzw. aufnimmt (ausgenommen aus medizinischen Gründen von oder unter Aufsicht der Wettkampf-Offiziellen) ist beim ersten Mal mit einer gelben Karte zu verwarnen. Im Wiederholungsfall ist der Athlet mit der roten Karte zu disqualifizieren. Er hat dann die Strecke umgehend zu verlassen.

Kampfrichter mit StaffelholzRegel 166.2(b): Die Tabellen zur Laufverteilung werden aus den Regeln entfernt. Künftig haben die Wettkampfbestimmungen solche Tabellen zur Laufverteilung, Aufstiegsmodus etc. zu enthalten. In den Fällen, wo das nicht der Fall ist, können die (bisher in den IWR enthaltenen) Tabellen von der IAAF-Website heruntergeladen und verwendet werden.

Regel 170.3 und 170.18: Beim 4x100m-, 4x200m-Lauf und bei der ersten und zweiten Übergabe der Schweden-Staffel ist die Wechselzone 30m lang mit einer Markierung 20m nach Beginn der Wechselzone. Die übernehmenden Läufer dürfen nur innerhalb der Wechselzone anlaufen.
Erläuterung: die bisherige Vorlaufmarkierung fällt weg, an ihre Stelle tritt der Beginn der Wechselzone. Die Staffelstab-Übergabe kann daher bereits ab dem Anlaufen durchgeführt werden, da die Wechselzone bereits beim Punkt der bisherigen Vorlauf-Markierung beginnt.

TECHNISCHE BEWERBE:

Regel 180.17 (=bisher 180.18):  Die wohl bedeutendste Änderung erfolgt im Bereich der Versuchszeiten für technische Bewerbe. Grundsätzlich reduziert sich – ausgenommen im Stabhochsprung, hier wurde die ebenfalls angestrebte Änderung wieder zurückgenommen - die Versuchszeit bei mehr als 3 Athleten im Bewerb auf 0,5 Minuten statt bisher 1 Minute. Das gleiche gilt für den ersten Versuch eines Athleten im jeweiligen Wettkampf. Die Versuchszeitentabelle sieht daher folgendermaßen aus:

Einzelwettbewerbe:

Zahl der verbliebenen Wettkämpfer
Hochsprung Stabhochsprung übrige Bewerbe
mehr als 3 (bzw. jeweils allererster
Versuch jedes Athleten im Bewerb
0,5min. 1min. 0,5min.
2 oder 3 1,5min. 2min. 1min.
1 3min. 5min. -
aufeinander folgende Versuche 2min. 3min. 2min.

Mehrkampfwettbewerbe:

mehr als 3 (bzw. jeweils allererster
Versuch jedes Athleten im Bewerb
0,5min. 1min. 0,5min.
2 oder 3 1,5min. 2min. 1min.
aufeinander folgende Versuche 2min. 3min. 2min.

Regel 180.18: Wird ein Athlet durch Umstände an der Ausführung seines Versuches gehindert, die nicht in seinem Einflussbereich liegen, kann der Schiedsrichter die Versuchszeit teilweise oder vollständig wieder (auf Null, Anm.) zurücksetzen.

Regel 180.19: Ein Athlet darf den unmittelbaren Wettkampfbereich während eines laufenden Bewerbs nur mit Erlaubnis bzw. in Begleitung eines Offiziellen verlassen. Nach Möglichkeit soll beim ersten Verstoß eine Verwarnung ausgesprochen, im Wiederholungsfall oder in schwerwiegenden Fällen ist der Athlet zu disqualifizieren.

Kugelauswahl beim KugelstoßRegel 187.14(b): neue Anmerkung: Es ist nicht als Fehlversuch zu werten, wenn ein Werfer während der (ersten) Rotation den Boden außerhalb des Ringes berührt, solange es hinter der (gedachten) Linie erfolgt, die durch den Mittelpunkt des Wurfkreises erfolgt und daraus kein „Antrieb“ resultiert. Erläuterung: nach Aussagen der zuständigen IAAF-Verantwortlichen ist hier der Standfuß gemeint, der bei der Drehung zB den Ring an der Oberseite berühren kann. Der Wortlaut der neuen Anmerkung beschränkt sich aber nicht darauf.

MEHRKAMPF:

Regel 200.12: Wenn zwei oder mehr Athleten die gleiche Punktezahl aufweisen, ist dies als Gleichstand zu werten.

GEHEN:

Regel 230.7(c): … Die anzuwenden Strafzeiten in der Aufenthaltszone sind: bei Bewerben
    bis 5 km: 0,5 min
    bis 10 km: 1 min
    bis 20 km: 2 min
    bis 30 km: 3 min
    bis 40 km: 4 min
    bis 50 km: 5 min
    
Regel 230.10(h)/240.8(h): neue Anmerkung: Ein Athlet darf Verpflegung, Wasser oder Schwämme empfangen oder übergeben, solange alles entweder vom Start weg mitgenommen oder bei einer offiziellen Station übernommen wurde. Eine kontinuierliche Versorgung von einem Athleten zu einem oder mehreren anderen ist aber als unzulässige Unterstützung zu werten und mit Verwarnungen/Disqualifikationen wie weiter oben ausgeführt zu ahnden.

CROSSLAUF:

Regel 250.4: es wird ein neuer Absatz eingefügt, alle weiteren Absätze mit einer Nummer höher nummeriert:
Für Crosslauf-Staffeln werden die Übergabe-Zonen durch zwei 50mm breite, 20m voneinander entfernte Linien quer zur Laufstrecke gekennzeichnet. Alle Übergabevorgänge, die, sofern durch die Organisatoren nichts anderes festgelegt wurde, einen physischen Kontakt zwischen ankommendem und ablaufendem Staffelläufer beinhalten, haben in dieser Zone stattzufinden.

SCHLUSSBEMERKUNG

Schiedsrichter-Armbinde in der Leichtathletik (Referee)Viele der beschlossenen Regeländerungen betreffen (anlagen-)technische Details, die hier nicht behandelt wurden. Insgesamt bietet sich wie schon öfters in der Vergangenheit das Bild, dass einige gravierende Änderungen (wie zB Universelle Bewerbe, Versuchszeiten, Berühren des Bodens bei Rotationswürfen, neue Wechselzonen bei 4x100m) einerseits und Detailregelungen und Klarstellungen andererseits dazu führen, dass alle Beteiligten, insbesondere die Kampfrichter und Athleten (aber auch die Betreuer), sich wieder intensiv mit den neuen IWR beschäftigen müssen, um bereits ab der kommenden Hallensaison regelkonforme Wettkämpfe durchführen zu können.

Gleichzeitig mit der Überarbeitung der IWR selbst wurde das bisherige Erläuterungswerk, der „Referee“ (nur in Englisch und Französisch aufgelegt), aufgelassen. Die in diesem Buch in grün gedruckten Erläuterungstexte wurde in einer überarbeiteten und teilweise stark erweiterten Form in das Regelbuch mit aufgenommen. Es bleibt abzuwarten, wie künftig bei unklaren oder missverständlichen Formulierungen seitens der IAAF reagiert wird: Änderungen im Erläuterungstext oder Änderungen im Regeltext selbst.

Bezüglich der deutschsprachigen Fassung liegt nunmehr aber viel Arbeit vor der „Internationalen Regelkommission“, einer Zusammenarbeit von einigen nationalen Verbänden (AUT, CZE, GER, LUX, NED, SUI). Insbesondere die Übersetzung bzw. Bearbeitung der neuen Erläuterungstexte bedeutet viele zusätzliche Stunden, um ein möglichst frühes Erscheinen der deutschsprachigen IWR Ausgabe 2018 zu ermöglichen. Der genaue Zeitplan dazu wird bei der nächsten Tagung Anfang Dezember festgelegt werden.

Text: Mag. Thomas Eckel / Fotos: GEPA Pictures


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ÖLV | 16.11.2017 (Thomas Eckel)

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