Team-EM: Innenansichten aus Tel Aviv (Sonntag)

Team EM Tel Aviv 2017Wieder ein heißer Tag in Big Orange. Wir wohnen im Hotel mit den Ungarn und den Moldawiern unter einem Dach. Das sind die Ersten und die Letzten des gestrigen Wettkampftages. Freud und Leid eng beisammen. Auf dem Dach gibt es ein Swimming-Pool. Wer das nützt, kann seine Enttäuschung über unseren derzeitigen 10. Rang kühlen.

Heute haben wir noch einige Kracher im Köcher . Ob sich ein neunter Platz ausgeht, ist fraglich. Zypern, Serbien und Lettland sind die Hauptgegner. Die Saisonbestleistungen sprechen gegen uns, und der Verbleib in der zweiten Liga wird schwierig. Aber erstens kommt es anders und zweitens vielleicht genau umgekehrt.

Bettina Weber eröffnet den Tag um 16 Uhr mit dem Hammerwerfen. Die Disziplin hat früher zum Artenschutzprogramm der Leichtathletik gezählt. Heute findet das Hammerwerfen sogar im Hauptstadion statt. Bettina wirft 53,93m und belegt damit den 10. Platz. Sie bringt uns drei Punkte. Mehr als eingeplant.
Bei den Stabhochspringern herrscht auch bereits Hitze und Betriebsamkeit. Nicht einmal der Wind bietet Schatten an. Beim Stabhochspringen kann man leicht aus einem Alles ein Nichts machen. Sebastian Ender steigt bei 4,65m und reißt. Dann aber geht es hurtig himmelwärts. Am Ende schafft Sebastian 5.00m und eine persönliche Bestleistung. Er belegt den achten Platz. Der Tag fängt gut an.

Wir sind aber nach 23 Bewerben weiter abstiegsgefährdet. Nach den 100m Hürden der Frauen sollte dann die Wundheilung einsetzen. Stephanie Bendrat ist auf der kurzen Hürdenstrecke unsere Hoffnung für einen Sprung nach vorne. Das macht sie auch. Es schaut lange nach einem Start-Ziel-Sieg aus. Am Ende ist aber die Ungarin schneller. 13,20sec, Platz zwei und 11 Punkte für uns. Stephanie schubst uns im Länderranking wieder nach oben. Nach 23 Bewerben haben wir nun 132,5 Punkte und sind Lettland und Israel näher gerückt. „Es war ein solider Lauf“, ist ihr erster Kommentar.
„Die Entwicklung stimmt. Jetzt geht es darum, den Speed bis zum Ende zu halten“, freut sich Philipp Unfried.

Dominik Distelberger setzt den Aufstieg in der Liste fort. Er verspeist eine Hürde nach der anderen und wird mit 14,27sec Fünfter. Wunderbar. Ich werde jetzt einen Baum umarmen.
Im Stadion ist der Juni in Hochform. Im Pressezentrum hat sich nichts geändert. Die Organisatoren haben ein degressives Interesse, Informationen zu liefern. Gemäß Max Frisch darf man nicht die Wut verlieren.

Im 800m-Lauf liegen die Entry-Zeiten eng zusammen. Acht Läufer liegen zwischen 1:49min und 1:52min. Spannung ist vorprogrammiert. Ein Gerangel auch. Und der Lauf hat keine professionelle Gemütlichkeit. Dominik Stadlmann bleibt lange am Ende des Feldes, und es schaut aus, dass er nicht zusetzen kann. Das Loch nach vorne wird immer größer. 250m vor dem Ende zündet Dominik eine Rakete, holt das enteilte Feld ein und mischt plötzlich ganz vorne mit. Er läuft hervorragende 1:49min. Wieder kommen sechs Punkte aufs Girokonto.

Nun sind wir aus der Abstiegszone, und überholen Lettland. Auch Israel kommt in Griffweite. Na schau, es geht ja.
Das Diskuswerfen ist toll besetzt. Es sind mehr Olympiafinalisten dabei als in der Superliga. Alles Bröckerln, bei denen schon die Begrüßung zwischen Handschlag und Schulterwurf liegt. Lukas Weisshaidinger ist erst gestern angereist und zeigt sich bestens vorbereitet. Gleich der erste Wurf geht über 64m. Dann setzt er 65,56m in den Rasen. Er gewinnt. Was soll man da noch schreiben?

Dann der 3.000m-Hindernislauf der Männer. Ein Bewerb mit Abkühlmöglichkeiten für die Läufer und Reflux-Potential für die Zuschauer. Luca Sinn ist leider verkühlt. Er kommt bald weit hinter die Führungsgruppe zu liegen und zieht allein seine Runden. Da vorne gebummelt wird, kommt er immer näher an die Spitze heran. Mit dem siebenten Platz kauft er sechs Punkte ein. Ich brauche jetzt ein Baldrian-Bier, um wieder zur Ruhe zu kommen.
Nach 31 Disziplinen ist der depressive Zug im Kopfbahnhof wieder abgefahren. Wir liegen noch immer auf dem 10. Platz, sind aber nur einen Punkt hinter Serbien und fünf hinter Israel. Vielleicht geht sich noch was aus!
Viola Kleiser hat gestern die Königsstrecke gewonnen und zeigt sich auch heute in toller Form. Sie wird Vierte mit einer Zeit nahe ihrer Bestzeit. Die Uhr bleibt bei 23,77sec stehen.

Beim Hochsprung sind Frauen dabei, deren Größe aus 60 Prozent Beine besteht. Österreich wir durch Ekaterina Krasovskiy präsentiert. Sie zählt zum Favoritenkreis. Sie springt bis 1,76m alles im ersten Versuch. Erst bei 1,82m bleibt die Latte widerspenstig und fällt herunter. Jetzt beginne ich zu schwitzen. Das ist nicht nötig, denn Kati schafft die Höhe im zweiten Anlauf. Ihr Luftsprung ist auch sehenswert. Am Ende bedeutet die Höhe den zweiten Platz. Jetzt mache auch ich einen Luftsprung.
Dann komme ich in den Stress. Unterhydriert, überverschwitzt und von allen geduzt sitze ich vor meinem glühend heißen Computer. Ich komme mit dem Schreiben nicht mehr nach.

Die Wettkämpfe von Nico Garea, Djeneba Toure und Ivona Dadic verdienen eine Einzelnennung, gehen mir aber durch die Lappen. Dass Ivo 6,33m springt, erfahre ich erst spät. Die drei bringen gemeinsam 13 Punkte vom Wald auf die Lichtung.
Es geht jetzt ins Finale des Tages. Wir hängen nach 33 Bewerben weiter auf dem 10. Platz fest. Sieben Punkte fehlen auf die Serben. Fast unmöglich, das einzuholen, wenn man ehrlich ist.

Beim 3.000m-Lauf bin ich wieder auf Sendung. Es kommt einer meiner Lieblingsläufer: Brenton Rowe. Schon oft hat er Siege für uns eingefahren, und einmal ist er sogar bei einer Team-EM über beide Langstrecken gelaufen. Auch diesmal ist er mein Star bei diesem Lauf. Vor allem hängt er den Serben ab, was sehr nützlich ist. Brenton wird dann das Tempo zu bummelig, und er übernimmt zwei Runden lang die Führung. Am Ende geht es rund. Brenton wird überholt und überholt zurück. Er wird hervorragender Vierter und bringt uns neun Punkte.

Nada Pauer ist unsere Frau über die 1.500m. Im Lauf entwickelt sich die Spitze mit sieben Läuferinnen. Beim Gong zur letzten Runde kommt Leben in die Bude. Die Serbin zieht davon. Nada macht ihr eigenes Tempo und geht auf Platz sechs vor. Dann kämpft sie auch locker die Israelin nieder. Damit läuft sie als Fünfte durchs Ziel und hilft uns weiter, im Rennen zu bleiben.
Aufgrund dieser Topleistungen sind wir plötzlich auf dem achten Rang, und ich werde zum Nägelbeißer. Wir haben noch eine reele Chance, in der zweiten Liga zu bleiben.

Dann kommen die 5.000 und Anita Baierl. Keine Substanz verdunstet bei so einem Lauf so schnell wie der Sauerstoff. Anita läuft wie ein Uhrwerk und als die Last-minute-Strecke beginnt, beginnt sie um den 10. Platz zu kämpfen. Das gelingt leider nicht.
Vor den 4x400m-Staffeln erkunde ich mich, wo der Defibrillator hängt, denn es wird nun arschknapp werden. Jetzt kann man nichts mehr herumwitzeln. Bei den Männern stehen Gebhard – Hufnagl – Garea – Kornfeld auf der Bahn. Bei den Frauen sind Hafner – Schrempf – Schwarzinger – Walli aufgestellt. Es geht um alles oder nix. Es ist die letzte Chance, aus der Abstiegszone zu kommen.

Bald stellt sich heraus, dass die Serben und Israeli in den Staffeln nicht biegen lassen. Mir fällt Dante Alighieri und die Göttliche Komödie ein. Dort steht im Inferno: Lasst alle Hoffnung fahren. Game over.
Dann der Hammer! Die serbische Staffel wird disqualifiziert. Es wurde irgendetwas Regelwidriges gemacht. Plötzlich lebt die Chance wieder. Die Endrechnung wird neu geschrieben. Wir werden auf den rettenden neunten Platz gereiht und sind nun vor den Serben. Dass ich im zwölften Himmel schwebe, ist nichts Unanständiges. Immerhin haben alle super gekämpft und hat die Mannschaft tolle Leistungen gebracht.

Wir werden nicht in die dritte Liga absteigen.

Fotos: GEPA Pictures


ÖLV News | 25.6.2017 (HW)

submit BugReport | Programming by Stefan Walkner 2006 | Design by RK | Impress