Team-EM: Innenansichten aus Tel Aviv (Samstag)

Marco CozzoliAm späten Nachmittag geht es los. Ein Bus bringt uns zum Stadion. Eine U-Bahn gibt es in Tel Aviv nicht. Sie ist geplant. Ein israelischer Kollege im Pressezentrum meint, dass er die Ankunft des Messias eher erwartet als die Fertigstellung des U-Bahn-Netzes. Es hat wieder Strandwetter, und ich sehne die Große oder Kleine Eiszeit herbei. Auf der Pressetribüne gibt es keinen Strom, keine Informationen und auch sonst ist es hier alles zwischen Schmutz und Fink.

Nach einer Stunde fühle ich mich schon wie der Überlebende eines Grubenunglücks.

Jan Siart-Jantzen und Michael Drnek haben bereits ihre Physio-Streckbänke aufgestellt. Der Massagebereich ist vor und nach den Wettkämpfen ein Refugium für die Sportler. Man hält sich gerne dort auf.

Um 16.05 beginnt die Tanzveranstaltung der Hammerwerfer. Für uns dabei ist Marco Cozzoli. Er dreht viermal an und schleudert die Kugel mit Stiel zweimal über 55 m. Damit schlägt er den Isländer und den Israeli, und wir bekommen drei Punkte. Super.

Ziemlich zeitgleich beginnt der Stabhochsprung der Frauen. Agnes Hodis Aufwärmprogramm dauert 9o Minuten. Sie überquert alle Höhen bis 3,80m auf Anhieb und fühlt sich im Stadion wohl. Zu dieser Zeit sind bereits mehrere Springerinnen ausgeschieden. 4,00m nimmt sie im zweiten Versuch. Damit wird sie Vierte und zahlt neun Punkte in die Kassa ein.

Die 400m Hürden werden eine erste Zwischenrechnung zulassen. Bei den Burschen ist für uns Dominik Hufnagl am Start. Er ist vor einigen Tagen erstmals unter 51 Sekunden geblieben. Die Sonne und Gegenwind beginnen sich wichtig zu machen und begleiten die Läufer. Der Ungar Koroknai gibt gleich gewaltig Gas und das bis zum Schluss. Er wird auch Erster. Dominik bringt eine feine Leistung und bleibt mit 51.04sec in seinem Leistungbereich. Mit ihm macht Österreich viele Plätze gut.

Astrid HafnerAstrid Hafner läuft auf der langen Hürdendistanz in Gruppe B. Sie ist erstmals für die Nationalmannschaft nominiert und vertritt uns gut. Astrid läuft ein couragiertes Rennen, schlägt ihre unmittelbare Konkurrentin aus Zypern und bringt der Mannschaft zwei Punkte. „Es hat nicht alles gepasst, aber ich bin zufrieden“, schnauft sie mir in den Schreibblock.

Nach drei Bewerben rangieren wir auf Platz acht und weit weg von einem Abstiegsplatz. Die Temperatur ist auch angenehmer geworden. Die Organisation im Medienbereich oszilliert zwischen Zumutung und Ärgernis.
Die 100m werden ein besonderer Leckerbissen. Viola Kleiser ist in Hochform und hat 11,51sec im Lebenslauf. Sie wurde bestens von Jan Siart auf Physio-Hochform gebracht und trommelt nach dem Start allen davon. Am Ende kommt der Pulk immer näher, aber Viola verteidigt auch hinten hinaus ihren Vorsprung. 11,53sec und Sieg im gut besetzten Feld. Es bleiben die einzigen 12 Punkte des Tages.
Markus Fuchs startet in der Gruppe B der 100m-Sprinter. Man braucht zwischen 10,2sec und 10,3sec, will man den Lauf gewinnen. Markus läuft 10,52sec. und bleibt außer Reichweite seiner Bestzeit.
Nach fünf Bewerben sind wir an fünfter Stelle, was einem Halleluja gleichkommt. Wenn es so bleibt, riskiere ich am Ende einen Tischtanz.

Dann die 1.500m mit Andi Vojta. Seine Leib- und Seelenstrecke. Andi läuft von Beginn an in der Spitzengruppe, lästig verfolgt von Repcik aus der Slowakei. Die ersten vier sind eng beisammen. Wer gewinnen wird, hat die Qualität einer Heimhörerfrage. In der letzten Runde geht die Post ab, und Andi ist dabei. Er beißt sich durch die letzten 60 Meter und wird hervorragender Vierter. Wieder neun Punkte gewonnen.
„Die Platzierung ist o.k., aber ich merke, dass am Schluss der Biss fehlt. Die Zukunft sehe ich eher auf den langen Strecken“, sagt ein zufriedener Andi.

Dann Susanne Walli und der Lauf über eine Stadionrunde. Das Ziel wäre, vor den Läuferinnen aus Moldawien, Israel und Island zu bleiben. Das schaut schon nach 200m gut aus. Hinten wird gefightet, aber Susi bleibt in ihrem Schritt und kommt als Dritte des Laufes ins Ziel. Saisonbestleistung als Draufgabe. Für mich ist es sie ein Lieferant nationalen Jubels.
Inzwischen ist die Sonne austherapiert, und es werden im Medienbereich auch einzelne Ergebnislisten geliefert. Dabei erfahre ich, dass Österreich nach sieben Bewerben an sechster Stelle liegt. Pessimismus findet sich jetzt nicht einmal am äußersten Rand meiner Gedanken.
Mario Gebhardt, Schützling von Trainer Edi Holzer, liefert einen 400m-Lauf ab, der Gänsehaut erzeugt. Er macht schon nach 200m klar, dass er um den Sieg mitreden wird. Als die Kurvenvorgaben aufgebraucht sind, fightet er los als wäre der Gottseibeiuns hinter ihm her. Er gibt sich vollkommen aus und wird Zweiter des Laufes. Ein Interview ist mit ihm nicht möglich, denn er bringt kein Wort heraus.

Dann wate ich knietief im Durcheinander und mir entgleiten die Zeiten und Weiten. Auf der Anzeigetafel liegen wir an siebter Stelle und mit 64 Punkten. 4 1/2 Punkte vor Israel. Letzter ist Island. Nicht einmal das ist sicher, denn die Resultatübermittlung hat Tombola-Niveau.

3.000m Hindernis mit Julia Millonig lässt die Spannung wieder steigen. Im Feld wird ein 3-1-4-System gelaufen. Drei matchen sich vorne, dann kommt eine Solistin und darauf folgt ein Viererblock, den Julia wie eine Lokomotive durch das Stadion zieht. Bald lösen sich aber auch diese Koordinaten auf. Es gibt keine Freundschaft mehr in der Karawane, und die letzte Runde wird zum Krimi. Julia versucht nochmals zu beschleunigen, kommt aber nicht weg. Sie wird Siebente und ist mit sich nicht zufrieden. Ich schon. Sechs Punkte halten uns gut im Rennen.

Hans Peter Innerhofer zieht zuverläßliche Runden und finisht mit 14:37min. Victoria Hudson legt fünf Punkte aufs Konto.
Beim 800m-Lauf von Carina Schrempf erfährt mein Herz wieder eine Tiefenwärmung. Carina läuft auf Bahn 3. Im Lauf wird von Beginn an Tempo gemacht. In der letzten Runde ist nur vorne die Entscheidung klar. Die Isländerin Hinriksdotir gewinnt. Hinten spurtet Carina auf den letzten 60m los und holt noch einen Platz auf. Mich hält vor Freude nicht einmal die Schwerkraft auf dem Sessel. 2:06min und sechster Platz kommen in die Rechnung.

erste Übergabe Alexandra Toth auf Viola KleiserNach 15 Disziplinen sind wir abgerutscht und auf Rang 9. Jetzt schaue ich zum Himmel. Nach der Legende hat Petrus in Jaffa die tote Tabea zum Leben erweckt. Das wäre jetzt für uns auch gut.
Am Ende des Tages kommt es noch zum Showdown mit den 4x100m-Staffeln. Jetzt nur keine Spompernadln. Die Übergaben müssen klappen. Das sogenannte schwache Geschlecht zeigt keine Schwäche.
Unsere Damenstaffel legt nicht nur saubere Übergaben, sondern auch einen fulminanten Lauf hin. 11 Points machen wieder Hoffnung. Auch die Herrenstaffel wird dezibelstark angefeuert und belegt den neunten Rang.

Womit ich zum Endresultat des Tages komme. Ein ansatzloses Gelingen ist nicht gelungen. Wir liegen nach 21 Bewerben auf dem 10. Platz. Nur Moldawien und Island sind hinter uns. Ob wir uns in der Liga behaupten können, ist eindeutig zu beantworten: Vielleicht.

Fotos: GEPA Pictures


ÖLV News | 25.6.2017 (Herbert Winkler)

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