U20-WM: Innenansichten aus Bydgoszcz - Mittwoch

Carina Pölzl und Masseur Michael DrnekSchon am Morgen strahlt die Sonne in den Frühstücksraum. Die Regenwolken dürften austherapiert sein und haben Platz für das Blau des Himmels gemacht. Die Stimmung in der Mannschaft ist auch prächtig.

Michi Drnek ist schon früh zum Stadion aufgebrochen. Er ist gut besucht und auch sein Massagetisch ist ein willkommener Ruheplatz. Die vielen Kojen im Physiobereich bilden den Weltatlas im Kleinformat ab. Die Areale von Barbados, Bahamas und Jamaika sind nebeneinander aufgereiht. Modelagenturen könnten hier aus dem Vollen schöpfen. Die Franzosen und Briten nehmen auch viel Platz ein. Michael hat den Massagebereich mit zwei rotweißroten Fahnen geschmückt und am Ende der Halle aufgestellt. Als ich ihn besuche, tapt er gerade Carina Pölzl den Fuß.

Am Aufwärmplatz tummeln sich Jugendliche, die zeigen, wie bunt die Ethnien dieser Erde sind. Wackelnde Geher und verbissene Sprinter wärmen neben den Kugelstoßern und Läuferinnen auf, die über die Hürden fetzen. Ob hier wirklich alle Sportler unter 20 Jahre ein Echtheitszertifikat haben? Ob die Geburtsurkunden aus den fernafrikanischen Tralala-Gebieten die Wirklichkeit oder nur astreine Halbwahrheiten abbilden? Manche U20-Sportler haben bereits XX-large-Körper, die sich in Brehms Tierleben unter dem Unterkapitel Großtiere finden.

Philipp Kronsteiner in der Dreisprung-Quali sensationell!Egal, für uns ist heute nur Philipp Kronsteiner wichtig. Er wird heute drei Dreisprünge präsentieren. Die Quali-Weite für den Einzug ins Finale ist mit 16.10m festgelegt.

„Wenn Philipp seine derzeitige Form auf den Balken und in die Grube bringt, wird er die 16-m-Marke deutlich übertreffen“, ist Silvio Stern überzeugt.

Silvio ist in Oberösterreich gemeinsam mit Wolfgang Adler für die Leichtathletik zuständig. Nach einem Gespräch mit ihm bleibt man bereichert zurück. Er ist in Sachen leichter Athletik sehr kompetent und ein profunder Rückblicker und Vorschauer. Er betreut unter anderen die LeistungssportlerInnen, die im Talent-Humus von OÖ heranwachsen. Seinen Optimismus für das heutige Hop-step-jump-Spektakel von Philipp kann er gut untermauern.

„Wir haben den Anlauf für Philipp umgestellt. Der Weg bis zum Balken hat nun eine Rhythmik, die den Absprung effizienter macht. Außerdem ist Philipp schneller und stabiler geworden“, beschreibt Silvio die Arbeit der letzten Monate.

Philipp selbst strotzt vor Selbstvertrauen und braucht keinen emotionalen Hilflosenzuschuss. Er fühlt sich für eine neue Bestleistung optimal vorbereitet. 15.93m ist er im Juni gesprungen. Das sind exakt 14 Meter mehr als er groß ist. Heute will er seinen Horizont entscheidend erweitern. Ein Aber oder Vielleicht hat er gar nicht im Wortschatz.

Um 11.30 Uhr geht es in zwei Gruppen direkt vor der Medientribüne los. Philipp ist der 15te in der Gruppe B. Ein gutes Omen, denke ich. B steht für Besser. Im Dreisprung sind die Gegner nur bedingt interessant. Ein Davonlaufen gibt es nicht. Es gilt, mindestens bei 6.10m in der Sprunggrube zu landen. Erst wenn das nicht gelingt, schaut man, was die Mitstreiter geleistet haben.

Im ersten Versuchsdurchgang legt sich gleich Lazaro Martinez aus Cuba, ein 17-m-Springer, mit 16,46m in die Grube. Das genügt. Er packt zusammen und geht. Philipp, der den längsten Anlauf von allen hat, bringt seinen ersten Versuch gültig in den Sand. Die Weite ist mit 15,56m etwas unterzuckert. An seiner selbstsicheren Körpersprache ändert das nichts. Philipp hopst, dehnt und joggt und feuert seine Gegner an. Sein Optimismus ist ungebrochen. 

Der Moment nach DEM Sprung - 16,19 Meter!Dann der zweite Versuch. Es wird ein Riesensatz. Philipp klatscht mit Silvio ab, was nur Positives bedeuten kann. Das Warten auf die Weitenanzeige dauert ewig. Dann ist es real: 16.19m. Aus Platzgründen erspare ich mir jetzt die 100 Rufzeichen. Ich sage nur: viertbeste Weite unter 38 Startern.

Der Sprung ist das Ticket fürs Finale und ein neuer österreichischer U20-Rekord. Ich umarme meinen Nachbar, und es ist mir wurscht, dass der das gar nicht will. Den Weg in die Mixed-Zone erspare ich mir. Ich weiß sowieso, dass sowohl Silvio und Philipp auf der Freudenwelle surfen. Mir geht es auch blendax und habe zu wenig Buchstaben, um das zu bechreiben.

Morgen setzen wir noch einen drauf. Karin Strametz und Sarah Lagger steigen in das All-you-can-eat-Programm ein und beginnen den ersten Tag ihres Siebenkampfes. Es wird Spannung der Extraklasse.

Etwa um 10.35 Uhr wird auch Dominik Hufnagl aus der hockenden in die laufende Position wechseln und über die 400m Hürden los trommeln. Seine Stimmung ist heute schon über der Bodennähe.

Ich werde jetzt den Tag bewegungsreduziert verbringen und überprüfen, ob in Polen auch das Reinheitsgebot gilt

Fotos: Sonja Spendelhofer (1), Jean-Pierre Durand (2)

ÖLV | 19.07.2016 (Herbert Winkler)

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