U20-WM: Innenansichten aus Bydgoszcz - Montag

Logo U20-WM in BydgoszczDie Anreise nach Warschau war ein Event aus Pech und Pannen. Pünktlicher Abflug um 12.55 Uhr von Wien Schwechat. Nach vierzig Minuten bekam das Flugzeug offenbar Herzrhythmusstörungen. Der Kapitän wendete und flog uns wieder nach Wien zurück. Nein, es hat weder gerumpelt noch war uns angst und bang. Sonja Spendelhofer, die Teamchefin, erkämpfte uns einen Flug für den späten Nachmittag. Der zweite Flugversuch gelang ohne Übertretung. In Warschau dann ein Bus, der uns als Tiefkühlfracht beförderte und um Mitternacht in Bydgoszcz ablieferte. Alles im grünen Bereich.

Morgen beginnen hier in Polen die Junioren-Weltmeisterschaften. Etwa 2.000 Athletinnen und Athleten aus allen Kontinenten kämpfen um persönliche, nationale und Planeten-Bestleistungen. Nach der eher torschmalen Europameisterschaft der Fußballer bringen nun die U20-LeichtathletInnen Spannung in die Sportwelt. Dazu ist Göttin Fortuna nicht eingeladen. In der Leichtathletik gewinnt man nicht durch hoffnungsfrohe Fallrückzieher oder durch einen Sieg im Elfmeterschießen. Einen 400-Meter-Lauf gewinnt die Athletin, die am schnellsten ist. Den Speerwurf gewinnt der, der am weitesten wirft. Im Tennis ist sicher, dass der als Nummer 167 gesetzte Alexander Kudryavtsev das Wimbledon-Turnier nicht gewinnen wird. Auch der Indonesier Rio Haryanto wird beim Großen Preis von Großbritannien in Silverstone nicht erster werden. Genauso ausrechenbar und überraschungslos geht es in der Leichtathletik zu. Mit Glück allein macht man keine Medaille. Die Leistungen, die Ivona Dadic oder Sarah Lagger gebracht haben, sind nicht dem Zufall geschuldet, sondern einer soliden physischen wie psychischen Leistung ohne Zufalls-Dekor.

Österreich hat eine kleine, aber feine Gruppe nach Bromberg, wie die achtgrößte Stadt von Polen in Deutsch heißt, entsandt. Vier weibliche und zwei männliche AthletInnen haben die hochgesteckten Limits für die Weltmeisterschaft geknackt. Ein Breitband-Team, das viele Disziplinen abdecken wird.

erste Impressionen aus BydgoszczCarina Pölzl ist für die 200m und Lena Millonig ist über 3000m Hindernis am Start. Karin Strametz und Sarah Lagger mischen im Siebenkampf mit. Dominik Hufnagl und Philipp Kronsteiner starten in ihren Paradedisziplinen 400m Hürden und Dreisprung. Alle sechs haben heuer ihre Leistungen aus dem Wald auf die Lichtung gebracht. Nun könnte es weiter aufs Hochplateau gehen. Meine filigranen Gefühle für Top-Plätze sind durchaus zwischen Optimismus und Euphorie angesiedelt.

In Bydgoszscz hat man mit Leichtathletik Erfahrung. Bereits 1999 fanden hier im Nordwesten von Polen die ersten Jugendweltmeisterschaften (U18) statt. 2008 dann die Junioren-WM, und schon für nächstes Jahr sind die U23-Europameisterschaften nach Bydgoszcz vergeben. Die Stadt war mehrmals Austragungsort der Speedway-WM und richtet auch Ruderregatten aus.

Kulturhistorisch hat Bromberg nichts mit dem Weltkulturerbe zu tun. Industrie- und Plattenbauten sind allgegenwärtig. Lediglich die Altstadt hat Flair. Unser Hotel ist nahe dem Fluss Brda gebaut. Auf ihm sehe ich viele Sportruderer und auch eine „Wasser-Straßenbahn“. Die Weichsel, Polens längster Fluss, nimmt dann die Brda Huckepack und in die Ostsee mit. Die beiden Flüsse sind auch für die Mikro-Meteorologie zuständig. Heute zum Beispiel bietet das Wetter bedeckten Himmel mit bleigrauer Wolkendecke. Die Sonne spielt verstecken.

Im Medienzentrum geht es noch ruhig zu. Journalisten aus aller Welt beziehen ihre Positionen, und die Fernsehteams knüpfen die Kabel und Stecker für die kommenden Übertragungen zusammen. Auch Rene van Zee spitzt schon den Bleistift für den ÖLV. Morgen beginnt hier die Hektik. Sind die Wettkämpfe dann in vollem Gang, kommt man sich auf der Pressetribüne vor wie bei der Seehundfütterung in Schönbrunn.

Im Medicalbereich richten Teamarzt Florian Wepner und Masseur Michael Drnek ihren Arbeitsbereich her. Sie sind für nützliche Knet- und Streicheinheiten zuständig und können Muskeln und Bänder mit schmerzhaften Griffen schmerzfrei machen. Beide bringen viel Routine mit. Florian aus dem Orthopädischem Spital und Michael aus der IMSB in der Südstadt.

Morgen ist Schluss mit dem Seelenbaumeln. Um 9.55 Uhr steht der Vorlauf für  Lena Millonig auf dem Programm. Es wird über Sprungbalken und Wassergraben gehen. Und das 3.000m lang. Vater Dietmar Millonig, der Lena coacht, zappelt schon heute dem Lauf entgegen. Es nützt nichts. Vor einem hohen Adrenalinspiegel ist selbst ein ehemaliger Europameister nicht gefeit.

Ich werde morgen davon berichten.
 

ÖLV | 18.07.2016 (Herbert Winkler)

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