Vienna City Marathon: Jagd nach Streckenrekord und Bestleistungen

Getu Feleke, der Titelverteidiger und Topfavorit, strebt nach persönlicher Bestzeit

Der Vorjahressieger hat sich für Sonntag viel vorgenommen, ebenso Christian Pflügl, der Top-Österreicher beim VCM

Vorjahressieger Getu Feleke ist der erklärte Favorit auf den Sieg beim Vienna City Marathon 2015. Der Äthiopier fühlt sich bestens vorbereitet und will eine neue persönliche Bestleistung laufen. Auch Österreichs voraussichtlich bester Läufer beim VCM, Christian Pflügl, hat sich viel vorgenommen.

„Wenn das Wetter passt, dann ist eine persönliche Bestleistung absolut im Bereich des möglichen“, ist Getu Feleke zuversichtlich. Auch der 28-jährige Äthiopier weiß, dass die Wetterprognosen nicht die schlechtesten sind. Eine Zeit von 2:04:50 Stunden ist er vor drei Jahren in Rotterdam gelaufen und gehört damit zum 27-köpfigen Kreis der Sub-2:05 Stunden Läufer weltweit.

Streckenrekord im Visier

Läuft am Sonntag alles ideal und Getu Feleke greift seine persönliche Bestleistung an, wackelt der Streckenrekord des Vienna City Marathon gewaltig. Den hält der Äthiopier seit seinem Vorjahressieg in einer Zeit von 2:05:41 Stunden. Damals hatten allerdings aufkommende Magenprobleme und Gegenwind in den letzten Passagen des Rennens eine noch schnellere Zeit verhindert. Je nachdem was parallel bei den hochkarätigen Marathon-Veranstaltungen in Paris und Rotterdam passiert: Die Weltjahresbestleistung liegt aktuell bei einer Zeit von 2:05:28 Stunden und wird gehalten vom äthiopischen Dubai-Sieger Lemi Berhanu. Wenn Feleke am Sonntag also nach seinen persönlichen Zielen strebt, geht es für die größte Aktivsportveranstaltung Österreichs gleichzeitig um einen internationalen Prestigeerfolg.

Rückkehr mit Freude

„Im letzten Jahr habe ich versprochen, zurückzukommen. Ich bin sehr happy, dass ich dieses Versprechen einhalten konnte“, lächelte Getu Feleke bei der Pressekonferenz. Spätestens seit seiner beachtlichen Leistung im Vorjahr, ist der sympathische Äthiopier aus der österreichischen Perspektive eine besonders große Nummer im Marathongeschäft. Nachdem eine Fußverletzung seinen Start beim Frankfurt Marathon im letzten Herbst verhindert hatte, fühlt sich der Äthiopier bestens vorbereitet. „Ich hatte eine gute Vorbereitung. Ich habe mir viel Zeit dafür genommen“, so der 28-Jährige, der in Barcelona beim Halbmarathon einen gelungenen Test in einer Zeit von 1:00:44 Stunden feierte. Feleke trainierte in seiner Heimat unter einem Programm seines Trainers Renato Canova und zwei weiteren Assistenztrainern. Die Hoffnungen auf einen Streckenrekord am Sonntag nährt er selbst: „Wenn ich antrete, will ich immer in Bestform laufen.“ Über seine Leistung beim Vienna City Marathon hofft Feleke, sich für das äthiopische Aufgebot der Weltmeisterschaften in Peking zu qualifizieren.

One-Man-Show oder Überraschungen?

Geht es nach der Meldeliste, ist Getu Feleke der Topfavorit. Keiner seiner Konkurrenten kann ihm laut den Bestenlisten das Wasser reichen. „Wir planen eine Gruppe, die eine Zeit von 2:05 Stunden anstrebt und eine, die eine Zeit von 2:09 Stunden anstrebt“, erklärt Rennleiter Mark Milde. „Ich bin mir sicher, dass der ein oder andere versuchen wird, so lange wie möglich bei Feleke zu bleiben.“

Als erste Anwärter dafür stehen Sisay Lemma und Duncan Koech bereit. Der Äthiopier lief im Jänner in Dubai eine persönliche Bestleistung von 2:07:06 Stunden und belegte Rang fünf. „Ich habe mich gut regeneriert und komme in Topform hierher“, kündigt der 25-Jährige an. Am Sonntag will er die große Überraschung schaffen und Feleke fordern. „Getu ist mein Freund. Aber zwischen jenem Zeitpunkt, wenn die Pacemaker aussteigen, und jenem Zeitpunkt, wo wir das Ziel erreichen, kämpft jeder für sich alleine. Danach sind wir wieder Freunde“, klärt er auf. Der Kenianer ist ein echter Marathon-Fanat: Fünf Marathons hat er im Vorjahr bestritten, der VCM 2015 wird der 22. seiner Karriere. „Das ist meine Passion!“, erklärt er. Testrennen hat er 2015 noch keines absolviert, „aber ich habe sehr viel und sehr gut trainiert.“

Rennleiter Mark Milde erwartet zudem von Gena Siraj aus Äthiopien und vom jungen Eritreer Beraki Beyene ein gutes Rennen.

Pflügl mit großen Ambitionen

Im letzten Jahr startete Christian Pflügl (SK Vöest) erstmals beim Vienna City Marathon und verpasste in 2:18:00 Stunden die besten Zehn nur knapp. Heuer kehrt der 36-jährige Oberösterreicher zurück und reist mit großen Ambitionen im Gepäck an. „Ich will persönliche Bestleistung laufen (2:15:58, Frankfurt 2011). Im Hinterkopf liebäugle ich mit dem WM-Limit, welches bei 2:15:00 Stunden liegt. Der Traum bleibt eine Teilnahme an den Olympischen Spielen von Rio.“ Um diesen hohen Zielsetzungen gerecht zu werden, hat Pflügl seine Vorbereitung intensiviert: Statt drei Wochen Kenia waren es heuer vier, eine Ernährungsumstellung soll zusätzliche Flügel verleihen. „Ich fühle mich sehr wohl und bin bestmöglich vorbereitet“, so Pflügl, der von drei kenianischen Pacemakern am Sonntag in die richtige Rennposition gebracht werden soll. Sein Testrennen gelang mit einer persönlichen Bestleistung im Halbmarathon in Venlo, 1:05:32 Stunden.

Weger und Lechleitner als rot-weiß-rotes Duo?

Die weiteren österreichischen Topläufer im Rennen sind Roman Tramoy-Weger (LC Villach) und Simon Lechleitner (LG Decker Itter). „So lange ich hier dabei sein darf, freue ich mich, hier laufen zu können“, so der erfahrene Kärntner, der seine Ambitionen herunterschraubt: „In meinem Alter geht man viel lockerer an einen Marathon heran, aber die Motivation ist vielleicht nicht mehr so groß wie mit 35. Der Körper verkraftet nicht mehr diese Belastungen, regelt das aber alleine mit einer längeren Regenerationszeit.“ Simon Lechleitner läuft den dritten Marathon seiner Karriere, den ersten auf österreichischem Boden. Geplant ist, dass er das Rennen gemeinsam mit Weger angeht, eine Zeit unter 2:20 Stunden ist der Traum des Tirolers.

VCM-Topläufer und ihre Bestzeiten

Getu Feleke ETH 2:04:50
Sisay Lemma ETH 2:07:06
Duncan Koech KEN 2:07:53
Beraki Beyene ERI 2:08:27
Siraj Gena ETH 2:08:31
El Hassane Ben Lkhainouch FRA 2:11:06
Mariusz Gizynski POL 2:11:20
Roman Prodius MOL 2:12:31
Hosea Kipkemboi KEN 2:12:32
 

Spannendes Frauenrennen mit vielen Favoritinnen steht bevor

Titelverteidigerin Anna Hahner freut sich auf ihre Rückkehr an die Stätte ihres größten Erfolges und strebt nach einer Wiederholung ihres Vorjahressieges. Dabei kommt es zur Revanche mit Caroline Chepkwony, die sich diesmal ihr Rennen besser einteilen möchte. Auf der Presskonferenz überwiegen insgesamt vorsichtige Prognosen.

Als Anna Hahner den Anruf aus Wien bekam, ob sie ein Jahr nach ihrem Überraschungssieg wieder in die Bundeshauptstadt zurückkommen würde, musste sie nicht lange überlegen für eine Bejahung. „Schließlich ist es eine seltene Gelegenheit, als Titelverteidigerin mit der Nummer eins auf der Brust an den Start zu gehen. Und die wollte ich unbedingt nutzen“, erklärt die 25-Jährige. Der Prestigeerfolg im Vorjahr hat ihre Karriere auf ein neues Leistungsniveau gehoben, im Herbst lief sie in Berlin in einer Zeit von 2:26:44 Stunden eine neue persönliche Bestleistung. Eine Zeit, die sie in die Favoritenrolle für Wien hievt. „Titelverteidigerin ja! Mitfavoritin ja. Aber es ist ein sehr ausgeglichenes Feld. Selbst ich bin gespannt, wie’s ausgeht. Ich werde mein Bestes geben“, dämpft die Deutsche die Erwartungshaltung, wohl wissend, dass die Chancen auf eine erfolgreiche Titelverteidigungen nicht schlecht stehen.

VCM 2014 im Re-Live

Die sympathische Deutsche zeigte sich bei der Pressekonferenz Austria Trend Hotel Park Royal Palace gut gelaunt. „Es war ein gutes Gefühl in Wien zu landen. Schließlich habe ich beste Erinnerungen an die Stadt und an die Veranstaltung. Ich freue mich sehr auf Sonntag.“ Um auch mental bestens vorbereitet zu sein, hat sich Hahner, die in Wien wie immer von ihrer Zwillingsschwester Lisa begleitet wird, die aufgrund eines Ermüdungsbruchs im linken Fuß aktuell zu einer Wettkampfpause gezwungen ist, ihren Vorjahrestriumph noch einmal vor Augen geführt. „Die ganze TV-Übertragung, als Einstimmung“, so die 25-Jährige, die gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester und ihrem Trainer Renato Canova im Winter erstmals in Äthiopien trainierte. „Das Trainingslager ist perfekt verlaufen“, ist Hahner zuversichtlich.

Chepkwony möchte Revanche!

Dramatische Szenen haben sich im vergangenen Jahr auf den letzten Metern abgespielt. Die mit großem Vorsprung führende Caroline Chepkwony hatte aber schwer zu kämpfen und wurde 300 Meter vor dem Ziel noch von Anna Hahner überholt. „Ich hatte Bauchkrämpfe“, so die Kenianerin. Im Herbst lief Chepkwony als Titelverteidigerin beim Ljubljana Marathon auf den vierten Platz. Ihre Rückkehr nach Wien steht im Sinne der Wiedergutmachung. Doch im Kampf um den Sieg nimmt die Kenianerin eine Außenseiterrolle ein. „Im letzten Jahr war Anna im Finale richtig stark. Heuer werde ich versuchen, besser gegenzuhalten“, verspricht die 29-Jährige.

Comeback einer alten Bekannten

Besonders im Kontext der jüngsten Sensationscomebacks von Mary Keitany (Siegerin des New York City Marathon 2014) und Aselefech Mergia (Siegerin des Dubai Marathon 2015) ist die Rückkehr von Fate Tola auf die Wettkampfbühne von zentralem Interesse. Vor 14 Monaten brachte die in Deutschland lebende Äthiopierin Fate Tola eine Tochter zur Welt. In Wien ist sie als zweifache Siegerin in den Jahren 2011 und 2012 bestens bekannt. Wenn ihr allerdings der Hattrick am Sonntag gelingen würde, wäre das eine große Sensation. Ihr Vorbereitungsrennen, ein Halbmarathon in Frankfurt von 1:13:40 Stunden, weist keinesfalls darauf hin, dass sie bereits wieder eine einer Top-Platzierung entsprechenden Leistungsstärke erreicht hat. Ein interessantes Detail: Fate Tola trainiert unter der deutschen „Marathon-Queen“ Irina Mikitenko.

Außenseiterrolle für ehemalige Tokio-Siegerin

Die Athletin mit dem bedeutendsten Eintrag auf ihrer Visitenkarte ist die Japanerin Noriku Higuchi. Die 29-Jährige verweilt zwar lediglich bei einer persönlichen Bestleistung von 2:28:49 Stunden, doch mit dieser Zeit feierte sie 2011 beim Tokio Marathon, einem der sechs größten und bedeutendsten Marathon-Veranstaltungen der Welt, einen überraschenden Sieg. „Ich fühle mich sehr gut vorbereitet. Im Gegensatz zu vielen meiner Landsfrauen habe ich mich dafür entschieden, auch im Ausland zu laufen. Da kann ich sehr viel lernen und mich weiterentwickeln“, lässt die Japanerin via Dolmetscherin ausrichten. Aus einer Außenseiterrolle heraus agieren auch die Kenianerin Esther Chemtai, Siegerin des Turin Marathon 2014, und die erfahrene Südafrikanerin Rene Kalmer, Neunte des Berlin Marathon im vergangenen Jahr.

Halb-Profi mit professioneller Zielsetzung

Mit Spannung erwarten darf man den Auftritt der aktuell besten Langstreckenläuferin aus der Schweiz, Schweizerin Maja Neuenschwander. Grund für die hohen Erwartungen an sie ist der Sieg beim Halbmarathon in Den Haag in persönlicher Bestzeit von 1:11:08 Stunden. Praktisch nebenbei erzielte sie in diesem Rennen Schweizer Rekorde über 15 und 20 Kilometer. Dies automatisch in die Erwartung eines neuen Schweizer Marathon-Rekordes umzumünzen, hält die 35-Jährige allerdings für nicht angebracht. „Irgendwann will ich ihn attackieren. Aber im Moment fehlen mir mit meiner Bestleistung zwei Minuten.“ Neuenschwander legte bei Prognosen für Sonntag „schweizerische“ Zurückhaltung an den Tag. Bei den Europameisterschaften von Zürich hatte sie im Sommer Rang neun belegt. Bei den großen Marathons in Berlin und Frankfurt ist ihr jeweils ein Top Ten Platz geglückt. „Ich habe mich immer schon entschieden, als Halb-Profi zu laufen. Seit 2012 habe ich eine flexible Arbeitsstelle, die sich perfekt mit meinem liebsten Hobby vereint und mir eine gute Vorbereitung auf einen Marathon erlaubt“, erklärt sich die Schweizerin ihren Leistungsanstieg in den letzten Jahren.

Text, Fotos: VCM
 

ÖLV News | 11.4.2015

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