Innenansichten aus Prag - Freitag

Schon beim Frühstück merkt man die Spannung für den heutigen Tag. Alle Athletinnen und Athleten außer Markus Fuchs starten heute in die Vorkämpfe. Das Mannschaftshotel ist voll ausgelastet und das Gewurl beim Essen dementsprechend. Einstweilen ist auch Victoria Schreibeis in Prag eingetroffen. Sie wird morgen Markus Fuchs auf der Sprintstrecke coachen.

Schon um 9.45 Uhr beginnt es in der O2-Arena zu brodeln. Die Fünfkämpferinnen beginnen mit ihrem Tagwerk. Für die Tschechen sind natürlich ihre Landsleute im Fokus der Begeisterung. Sie werden lauthals von den Rängen angefeuert. Der Druck für die Athleten ist dementsprechend. Für einige wird der Traum von einer Medaille schon bei Tageslicht zum Alptraum. Der heurige Gugl-Indoor-Sieger Jan Marcell, ein verlässlicher 20-m-Stoßer, kommt im Kugelbewerb nicht in den Endkampf. Der Tscheche Thomas Stanetz, Bestleistung 20,94 m in der Halle, scheidet mit drei ungültigen Versuchen aus.

Die Vorläufe über 800 m der Männer beginnen um 13 Uhr. Mitten drinnen Andreas Rapatz. Bei einem Gespräch mit ihm bleibt man nie ganz lachfaltenfrei, denn er hat ein sonniges Wesen. Edi Holzer hat Andi – wie schon so oft - zeitgerecht in die Gänge gebracht. Allerdings kam in der Vorbereitung auch eine Krankheit dazwischen.

Andis Lauf verläuft drei Runden lang normgerecht und endet dramatisch. Rapatz beißt sich aber durch die letzte Kurve und gewinnt immer mehr an Boden. Die anderen Läufer haben auch längst große Mühe mit der Milchsäure. Ich selbst bin vor Aufregung knapp vor dem Herzstillstand. Meter für Meter holt Andi auf der Innenbahn auf und scheint drei Meter vor dem Ziel auf einem Aufstiegsplatz. Dann geht es blitzschnell. Rapatz stürzt nach 799 m, bleibt liegen und löst auch keine Zeitnehmung aus. Was ist da geschehen? Warum schon wieder wir? Andreas ist enttäuscht und erzählt, dass der Sturz durch das Einhaken seines Beines mit dem eines Konkurrenten zustande kam. Ein Aufstieg ins Semifinale ist damit dahin. Was Andi bleibt sind Blutergüsse und Abschürfungen.

Gleich darauf folgen die Vorläufe über die 3.000 m mit Jenni Wenth. Sie brachte in den letzten Wochen superlativwürdige Leistungen und ist immer ein verlässlicher Lieferant für nationalen Jubel. Ihre Hallen-Bestzeit von 9:06,25 min will sie jedenfalls verbessern.

Gleich nach dem Startschuss formieren sich die Läuferinnen in einem Pulk, der bis zum Ende zusammen die Runden zieht. Jenni reiht sich weiter hinten ein, bleibt aber immer in Blickweite mit der Spitze. Bald wird klar, dass das Tempo für eine Endzeit unter 9 Minuten angelegt ist. Nicht gerade eine Frischzellenkur, wenn man da mithalten will. Jenni lässt sich nicht abschütteln und hält das Tempo im Pulk mit. Am Ende – als vorne die Post abgeht – legt sie auch nochmals zu. Immer weiter schiebt sie sich nach vor. Am Ende ist sie Siebente und hat eine neue persönliche Bestzeit von 9:01 Minuten. Damit steigt sie auch ins Finale auf. Es ist nicht nur ein Moment des Glücks, sondern zugleich ein Gruß an die olympischen Götter. Ganz großes Lob für Trainer Karl Sander, der Jennifer so gut eingestellt hat.

Auf der Tribüne im Hallenstadion sehe ich einstweilen Rudi Siart aus der Werferdynastie der Hammerschmeißer. Er verfolgt mit Interesse die Wettkämpfe, auch Dietmar Millonig, 3000-m-Hallen-Europameister von 1986, ist im Stadion.

Ein besonderer Leckerbissen beginnt um 16.15 Uhr. Die Stabhochspringerinnen rittern um den Einzug ins Finale. Kira Grünberg, die als Leichtathletin des Jahres 2014 ausgezeichnet wurde, ist gut vorbereitet. Ein Gespräch mit Vater und Trainer Frithjof ist keine Sprintveranstaltung. Er analysiert und zerlegt den Stabhochsprung in Elemente und Moleküle. Seine Erfahrung ist bewundernswert. Er hat das Training im letzten Jahr variantenreicher gestaltet, und Kira hat an der Leistungsdreifaltigkeit Kraft, Schnelligkeit und Selbstsicherheit gearbeitet. Einerseits hat sie mit dem deutschen Top-Turner Hambüchen gezielt Akrobatik trainiert, andererseits wurde sie mehrmals von Startrainer Czingon betreut. 4,40 m mit viel Luft in den Himmel sind das vorläufige Ergebnis. Nicht nur das Training, auch der Sprungstab hat an Härte zugelegt.

Kira steigt bei 4,30 m ein und macht dann bei 4,45 m weiter. Diese Höhe reißt sie zwei Mal und beschert mir damit eine Sofort-Neurose. Im dritten Versuch gelingt aber der Sprung. Er bedeutet neuen Republiksrekord. Bald werden auch noch größere Höhen vor Kira nicht sicher sein.

Dann die 3.000-m-Vorläufe. Im ersten Lauf startet Brenton Rowe. Er hat voriges Jahr bei der Team-EM in Riga zwei wirkliche Pretiosen abgeliefert. Dort gewann er die 5.000 m und wurde gleich am Tag darauf Zweiter über die 3.000 m flach. Das alles mit Jetlag und langer Anreise aus Australien. Brenton läuft ein kraftvolles Rennen. Bei 800 m lese ich 2:07 min., bei 1.600 m 4:14 min. ab. Lange hält er sich unangefochten zwischen der 6. und 8. Position und kämpft am Ende noch couragiert um die Plätze mit. Eine Leistung, die keine glättenden Kommentare notwendig macht. Die tolle Zeit sagt ohnedies alles. 7:53,28 Minuten sind persönliche Bestleistung.

Im zweiten Vorlauf startet Andi Vojta und erwischt einen Tag ohne Hochamtscharakter. Gleich nach dem Start reiht er sich als Zweiter in die Karawane ein, ist dann Vierter und verliert dann immer mehr an Boden. Das Rennen schwindelt sich an ihm vorbei. Am Ende zieht Andi alleine und nicht mehr rückstandsfrei seine Runden. Für mich ist er ein Held, da er nicht aufgibt.

Der Tag war mit Essig und Öl angerichtet. Ein Finaleinzug, ein österreichischer Rekord und eine persönliche Bestleistung stehen am Habenkonto.

Wir sind schon gespannt, wie sich Markus Fuchs am Samstag schlägt. Er absolviert um 10:41 Uhr seine Premiere als 60-m-Läufer. Es ist seine erste Europameisterschaft bei den Fortgeschrittenen. Abends um 18:50 Uhr nimmt uns dann noch Jenni Wenth zum Finallauf über 3.000 m mit.

 

Herbert Winkler | 06.03.2015

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