Innenansichten aus Prag - Donnerstag

Prag präsentiert sich im Sonnenlicht. Doch auch hier ist der Winter noch nicht ganz austherapiert. Es hat 10 Grad Celsius, und es windelt. Auf dem Weg zum Mannschaftshotel sehe ich eine weiße Stretchlimousine mit russischen Hochzeitern. Es klingt wie eine Ironie des Schicksals: Die früheren verhassten Besatzer bringen viel Geld in die Moldaustadt. Gut 20.000 Russen haben in Prag ihren festen Wohnsitz und über eine halbe Million russische Touristen kommen jährlich hierher. Es leben aber auch mehrere tausend Amerikaner in der Stadt, die einst von der Samtenen Revolution und dem Dichterpräsidenten Vaclav Havel angelockt wurden.

Der Großteil der österreichischen Mannschaft ist bereits angereist und akklimatisiert sich in der tschechischen Hauptstadt. Europameisterschaften sind immer ein Highlight im Timetable der Spitzenathleten. Immerhin leben in Europa fast 750 Millionen Menschen. Um 400 Millionen mehr als in Nordamerika. Europa stellt den größten Wirtschaftsraum der Erde dar, größer als z.B. China.

In der Stadt weist wenig auf die Europameisterschaft hin. Ein Plakat motiviert aber die Einheimischen, ihr Team zu unterstützen. Auf einem Werbeplakat findet sich der Aufruf „The fan is part of the team“. Sapperlot.

Das Gastgeberland gehört ohne Zweifel zu den Topnationen der internationalen Leichtathletik. Die Weltrekorde im Speerwerfen werden bei den Frauen wie bei den Männern von Tschechen gehalten. Der Sprinter Pavel Maslak erhielt 2012 den Europäischen Athletics Rising Star Award und der Werfer Lukas Melich schleuderte 2013 den Hammer über 80 m. Nur so als Beispiel. Auch wenn ihnen diese Wurfleistungen in der Halle nichts helfen.

Die österreichische Mannschaft ist gestaffelt nach Prag angereist und heute mit sieben Athletinnen und Athleten vollzählig. Leider ist Beate Schrott unzeitgemäß krank geworden und musste absagen. Aber alle anderen sind guter Dinge. Die ärztliche Betreuung hat diesmal Dr. Sigrun Schönfelder über. Sie strahlt medizinische Grundgüte aus und vermittelt mit ihrem Medizinkoffer Vertrauen in erwachsener Form.

Die O2-Arena, in der die Wettkämpfe stattfinden, soll in den nächsten Tagen restlos ausverkauft sein. Man sitzt in einer mehrstöckigen Halle, die architektonisch eine Schönheitsvermutung zulässt. Drei unterschiedliche Ringe hängen wie Adventkränze von der Decke. Man wird von allen Seiten und Ecken über die Weiten, Höhen und Zeiten informiert.

Um 18 Uhr betritt Lukas Weißhaidinger als Zweiter von 33 Athleten den Wurfkreis. Ich weiß nicht, ob für ihn die Welt eine Scheibe oder eine Kugel ist. Diesmal in Prag ist es eindeutig die Kugel. Diskuswerfen gibt es in der Halle nicht. Sein Ziel ist, auch hier die Qualifikationsmarke von 18,50 m zu übertreffen. Lukas liefert eine stabile Leistung ab. Drei Mal fliegt die Kugel über 18,60 m. Mit 18,71 m wird er 24. Eine Platzierung zum Zungenschnalzen.

Morgen eröffnen Andi Rapatz und dann Jennifer Wenth den österreichischen Teilnehmerreigen. Beide sind in guter Form und freuen sich auf ihre Vorläufe. Am Nachmittag dann Kira Grünberg und die Langstreckler Brenton Rowe und Andi Vojta. Für Rösselsprünge der Synapsen wird gut gesorgt sein.

 

 

Herbert Winkler | 05.03.2015

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