Team-EM: Innenansichten aus Riga – Samstag

Riga bietet heute gemischtes Wetter. Dunkle Wolken mit Drohgebärden wechseln sich mit Sonnenschein ab. Das macht einen Spaziergang in der Altstadt romantisch. Riga ist ja eine alte Hansestadt und hat eine gut erhaltene Altstadt mit Kopfsteinpflaster, Grünanlagen und Prachtbauten. Die Innenstadt wurde 1997 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes hinzugefügt. In der Liste der Team-Europameisterschaft werden dagegen heute und morgen die Plätze eins bis acht ausgemacht.

Um 14.30 Uhr finden sich auf der Stabhochsprunganlage acht Athletinnen ohne Höhenangst ein. Mitten drunter Kira Grünberg. Kira hat einen ausgezeichneten Tag und springt bis 4.25 m alles im ersten Versuch. Mit dieser Höhe stellt sie einen persönlichen und einen U23-Rekord auf. Bei 4.35 m scheitert sie im Nanobereich. Nicht nur Vater und Trainer Frithjof jubelt. Er hat sich schon gestern Abend gut hydriert, so als wäre eine große Dürre im Anmarsch.

Von der Tribüne sind die Daten der Resultate im Stadion nur schwer auszumachen. Die Videowall ist ein größerer Flatscreen. Die gesamte Organisation ist auf dem Niveau einer Provinzmeisterschaft. Das Medienzentrum ist in einem Besenkammerl untergebracht. Auch die Eröffnungszeremonie hat lauwarme Beliebigkeit.

Dann kommen die 400 m Hürden, die mit Verena Menapace und Thomas Kain veranstaltet werden. Verena liegt lange im hinteren Drittel des Feldes und teilt sich das Rennen gut ein. Auf der Zielgeraden lohnt sich das. Während die dänische Läuferin stürzt, erkämpft Verena den dritten Platz und damit sechs Punkte. Auch Thomas hält von einem homöopathischen Beginn nicht viel und holt nach 200 m auf die Kurvenvorgaben auf. Er schwimmt auf der Milchsäure ins Ziel und holt sich den vierten Platz. Wie immer ist er mit dem Lauf unzufrieden. Ich nicht.

Der 100m-Lauf der Männer ist ein Leckerbissen für Freunde chaotischer Verhältnisse. Der Lauf wird etliche Sekunden nach dem Start abgeschossen. Einige Läufer stoppen ab, andere laufen weiter, einer bleibt stehen. Keiner kennt sich aus. Benjamin Grill auch nicht. Es herrscht allgemeines Rätselraten. Bevor der Lauf ein Fall für die Menschenrechtskommission wird, wird er wiederholt. Benjamin läuft 10,88 sec., wird damit Sechster und zahlt drei Punkte in die Kassa ein.

Bei der Gesamtrechnung nach vier Disziplinen liegen wir in der Nationenwertung auf dem vorletzten Platz. Ich bleibe ein Zuversichtsakrobat, denn Lisi Niedereder macht mir wieder Hoffnung. Sie läuft ein couragiertes Rennen über die 800 m, lässt sich nicht abhängen und holt mit einem starken Finish den fünften Platz. 2:08,52 min. ist eine passable Zeit.

Luki Weißhaidinger, der sich heuer ganz auf den Diskus konzentriert, verspricht für das Kugelstoßen 17,50m. Das hält er aber nicht. Er macht mit 17.94 m mehr als sein Pflichtprogramm und wird Sechster.

Andi Vojta lässt dann wieder die Synapsen fluoreszieren. Er bleibt lange im Mittelfeld der Mittelstreckenkarawane. Bevor das Rennen zum Eisfeld der Langeweile abstürzt, setzt er sich dann 300 m vor dem Ziel an die Spitze und läuft dem Feld davon. Da kann dann niemand mehr mit. Endlich kommen acht Punkte in die Kassa.

Der Himmel zeigt sich einstweilen grau und asphaltfärbig. Immer wieder regnet es. Julia Millonig liefert bei ihrem Einstand im Nationalteam über die 3000m mit Hindernissen und Wassergraben ein feines Rennen. Einige Zeit begleitet sie die kroatische Läuferin, will dann aber lieber vor ihr sein und läuft mit wehenden Haaren auf den sechsten Rang. Susanne Walli kämpft sich über ihre Paradedisziplin, erzielt eine Saisonbestzeit und bringt über die 400m flach zwei Punkte.

Da es in anderen Disziplinen unterdotiert läuft, sind wir einstweilen auf den letzten Platz der Nationenliste abgerutscht. Man braucht eine homerische Wesensart, um glücklich zu sein. Doch nochmals dreht sich die Datenlage. Jenni Wenth bringt Schwung in die Nationenbude. Bis drei Runden vor Schluss laufen acht Frauen wie eine Perlenkette aufgefädelt. Dann steigt Jenni aufs Gas und geht mit zwei Gegnerinnen im Schlepptau ins Finale des 3000m-Laufes. Am Schluss wird sie noch überholt. Aber immerhin. Wenth wird Dritte, erzielt eine Saisonbestzeit und belebt unsere Punkteliste.

Auch der 5.000m-Lauf der Männer wird keine mondtrübe Angelegenheit. Anfangs will sich der lettische Läufer vor heimischen Publikum gut präsentieren und zieht gleich zu Beginn dem Feld davon. Das dauert nicht lange. Dann übernimmt Brenton Rowe das Kommando und wird der Frontmann der Karawane. Dann macht wieder der Lette Tempo und Brenton ist Zweiter im Countryclub. So bleibt es bis zwei Runden vor Schluss. Ab da legt Brenton einen Sprint hin, dem niemand mehr folgen kann. Er siegt mit 20 Meter Vorsprung vor dem farbigen Dänen. Grandios.

Elisabeth Eberl schleudert den Speer auf 53.54 m und belegt damit den vierten Platz. Das ist für den Kontostand eine große Hilfe.

Am Ende des Tages kommen noch die Staffelläufe über 4 x 100 m. Die Frauenstaffel läuft auf Rang sechs, die Männerstaffel auf Rang fünf durchs Ziel. Damit kann man zufrieden sein. Speziell die Staffelübergaben der Burschen war eine Augenweide. Der Endstand des Tages zeigt uns auf dem achten und letzten Rang. Der Abstand zum rettenden sechsten Platz ist aber nicht unüberbrückbar und der Blütenstaub der Hoffnung ist noch immer da. Morgen kämpfen wir weiter.

Herbert Winkler

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