Hallen-WM: Innenansichten aus Sopot – Freitag

Sopot, das man touristisch als Mekka der Ereignislosigkeit bezeichnen könnte, hat sich für die WM geschmückt. Je näher man dem Stadion kommt, desto schmucker sind die Straßen mit Fahnen, Logos und Plakaten auftoupiert. Als erster Programmpunkt steht heute die Qualifikation der schlanken Frauen im Hochsprung auf dem Timetable. Fünfzehn Minuten später bestreiten die schweren männlichen Bröckerln die Quali im Kugelstoßen. Ein anatomisches Kontrastprogramm für die Augen.

Als ich um 11 Uhr in die Arena komme, brodelt es bereits wie in einem Vulkankrater. Für die Zuschauer ist das Treiben im Stadion eine Art Theater, für die Akteure ist es echtes Leben. Die Ikone Bianca Vlasic springt 1,92 m hoch und das Denkmal Thomasz Majewski stößt die Kugel 20,60 m weit. Beide werden in der Qualifikation Vierte und sind im Finale dabei.

In der Mitte der Halle hängt wie ein riesiger Adventkranz ein Rundgestell, auf dem alle gerade ablaufenden Bewerbe, Startlisten und Resultate zu sehen sind. Der Aufenthalt in der ERGO ARENA ist ein tolles Erlebnis. Die Halle wurde mit SchülerInnen gefüllt, die mit einer Klatsche ausgestattet sind. Sie feuern aber nur polnischen WettkämpferInnen an. Wie die wohl bei den PISA-Tests abschneiden?

Nach den Bewerben treffen sich die Journalisten in der mixed zone mit den Akteuren, um einen Sager für die mediale Berichterstattung abzuholen. Das ist irgendwie spooky. Einige Athleten sind wahre Sagefrohs und haben konkrete Erklärungen für ihren Lauf. Andere kommen über die Einsilbigkeit nicht hinaus. Doch für kommunikationstechnische Abschweifungen ist jetzt keine Zeit mehr, denn jetzt wird ernst für uns.

Andi Vojta ist für den zweiten Vorlauf über 1.500 m gesetzt. Er ist mit sieben zeitknappen Konkurrenten zusammen. Laut Liste ist er Sechstbester und braucht eine Familienpackung an Mut und Taktik, um da vorne mitzuhalten. Und das macht Andi gut. Gleich nach dem Start setzt sich Vojta an die zweite Stelle und läuft 800 m lang parallel zum führenden Läufer aus Djibuti, der schließlich auch den Lauf gewinnen wird. Dieser wehrt jeden Überholungsversuch ab. Dann legt das Läuferfeld mit vettelartiger Geschwindigkeit einen Zwischenspurt ein, und die Rangreihung wird perforiert. Andi verliert an Boden und rutscht im Feld an die sechste Stelle. Nach 1.400 m zeigt die Uhr 3:25 min., und es geht jetzt um die Endpositionen. Andi steigt nochmals aufs Gas, überholt den Kanadier Brannen und kommt als Fünfter durchs Ziel. Mit seiner Zeit von 3:42,10 min. ist er nicht zufrieden.

ÖLV-Sportdirektor Hannes Gruber ist mit seinem Resümee im Wiglwogl, wenn er den Lauf durch den Analyse-Wolf dreht und wendet. Die Hoffnungen und die Realität waren knapp beisammen gelegen. Am Nachmittag ist Sopot für Andreas bereits im Rückspiegel und der Blick nach vorne geht schon nach Zürich zur Europameisterschaft. Dazwischen wird er seine Form auf dem Hochplateau von Kenia aufmöbeln.

Zu Mittag stößt auch ÖLV-Präsident Ralph Vallon zu uns. Er wird hier internationale Kontakte knüpfen und mit uns mitfiebern. Der Nachmittag wird mit einer tollen Eröffnungszeremonie gestartet. Schwebende Menschen, Akrobaten in riesigen durchsichtigen Bällen und singende Kinder zaubern ein helles Folklore-Programm in die dunkle Arena. Ab jetzt spaziert auch das offizielle Maskottchen der Weltmeisterschaft in der Halle herum. Es ist eine Möwe. Das Motto des Federviehs, das ein federloses Kostüm anhat, ist Sky is the limit. Ein gutes Omen für die Hürden-Vorläufe der Frauen, die um 18.05 Uhr beginnen.

Beate Schrott startet im vierten Lauf, in dem mit der Deutschen Hildebrand und der Britin Porter zwei Unterachtsekunden-Frauen dabei sind. Diese Zeit hat Beate auch auf ihrem Konto stehen, doch heuer noch nicht. 60 Meter und fünf Hürden bis ins Ziel, und ich hoffe, dass Beate im Lauf einen guten Sound findet. Sie hat Bahn sieben. Bahn sechs bleibt leer und auf Bahn acht hockt die kleine Hildebrand in der Startmaschine. Beate kommt gut vom Start weg, fetzt flott über die Hürden, verliert aber gegenüber den anderen an Boden. Sie läuft mit 8,24 sec. durchs Ziel und scheitert damit an der Quali für den Semifinallauf. Ins Tränental schwemmt mich das nicht, ist es doch erst März. Philipp Unfried sieht der kommenden Saison durchaus optimistisch entgegen. Er analysiert die Belastungen der vergangenen Trainingswochen und ist sicher, dass derzeit lediglich die Spritzigkeit für große Zeiten fehlt.

Damit sind österreichische Athleten bei den weiteren Wettkämpfen nicht mehr dabei. Der Ausflug nach Sopot hat sich trotzdem gelohnt. Dass es bei einer Weltmeisterschaft keine Take-Away-Erfolge gibt, war ohnedies klar. Die Teilnahme allein war schon eine gute Startrampe für die Freiluftsaison.


Bilder: GEPA pictures


 

Herbert Winkler

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