Team-EM: Innenansichten aus Litauen (Samstag)

Doris >Röser übergibt das Staffelholz an Marina KraushoferKaunas liegt am Zusammenfluss der beiden Flüsse Neris und Nemunas. Sie bestimmen auch die Mikro-Metereologie der Stadt. Und heute präsentiert sich Kaunas tropenmäßig. Man hat wenig Lust auf einen Spaziergang, macht ihn aber trotzdem und merkt, dass Kaunas  eine moderne Stadt ist. Die Restaurants und Läden halten den Westvergleich durchaus stand. Nur wenige Teile der Stadt liegen zwischen Schmutz und Fink. Sport wird großgeschrieben, was sogar in einem Museum dokumentiert wird. Litauen spielt in Basketball in der Weltliga mit. Dreimal schon holte die Baltenrepublik Olympiabronze.

Der berühmteste Leichtathlet des Landes ist wohl Virgilijus Alekna, der den Diskus schon auf 73,88 m warf. Er ist zweimaliger Olympiasieger und zweimaliger Weltmeister. Beim morgigen Diskusbewerb ist er aber nicht genannt.

Schon am Vormittag ereilt uns eine Hiobsbotschaft. Josip Kopic meldet Schmerzen im Sprunggelenk und kann im Hochsprung nicht antreten. Marandjosef, hoffentlich wirkt sich das nicht zu sehr beim Punktesammeln aus.

Um 15.00 Uhr beginnt die Tanzveranstaltung der Hammerwerfer. Michael Hofer ist der Nestor der Mannschaft und schon lange im Hammerwurfgeschäft. Trotzdem ist er sehr nervös. Sein einziger gültiger Wurf landet bei 52,94 m.

Kira Grünberg steigt bei 3,85 m klaglos in den Stabhochsprungbewerb ein und  legt dann eine unheimliche Serie nach: 4,00 m, 4,10 m und 4,15 m. Alle im ersten Versuch.  Erst bei 4,20 m reißt sie dreimal. Wichtige 6 Punkte landen auf unserem Konto.

Dann kommt der Premierenlauf von Verena Menapace im Nationalteam. Sie ist eine Breitband-Athletin und vielfältig einsetzbar. Diesmal bestreitet sie den 400-m-Hürdenlauf. Der Start gestaltet sich zu einer Zumutung. Die Athletinnen stehen zehn Minuten vor ihren Startmaschinen, bevor sie mit dem Startschuss erlöst werden. Dann aber läuft Verena mit langen raumgreifenden Schritten an und hält sich klug im Mittelfeld. Als die Kurvenvorgaben aufgebraucht sind, greift sie an und wird sensationelle Dritte. Eine Supervorstellung, die ihr eine Saisonbestleistung und der Mannschaft sechs Punkte bringt.

Thomas Kain hat ebenfalls den 400- m-Hürdenlauf gebucht. Er ist kein Läufer mit Selbstwertgefühl in Backerbsengröße. Das zeigt er dann auch mit einem imponierenden Lauf. Lediglich der Serbe Bekric kann ihn schlagen.

Ein Besuch in unserem medizinischen Zentrum, das im Vorzimmer des Stadions aufgebaut ist, ist nicht nur durch die österreichische Flagge, sondern durch rege Betriebsamkeit leicht zu finden. Unser Medizinmann Alfred Ungersböck strahlt unaufdringliche Kompetenz und Ruhe aus. Ingrid Müller bügelt widerborstige Sehnen und Synapsen in die richtige Richtung, und Jan Siart verwandelt mit gefälligem Griff in Minuten jede Fett- in eine Muskelzelle. 

Beim Dreisprung der Frauen ist die Sonne im Stadion bereits in Hochform und Michaela Egger auch. Sie setzt vorerst 12,66 m und dann noch 12.97 m in die Sandgrube. Eine imponierende Leistung und der tolle vierte Platz für Michi.

Nach vier Bewerben haben wir 21 Punkte. Wenn jetzt ein Wolkenbruch käme, würden wir in die erste Liga aufsteigen. Dann überraschen Doris Röser und Benjamin Grill.  Beide strafen die Eintrittsliste Lüge und spurten auf gar nicht vorgesehene Plätze. Sie werden 5. und 6.  und Doris stellt eine Saisonbestleistung auf.  

Andreas Vojta holt wichtige 8 Punkte im 1500m LaufElisabeth Niedereder kommt beim 800-m-Lauf nach 300 m als Letzte aus der Kurve und ist nach der Hälfte des Rennens Fünfte. Das Feld hat sich einstweilen in zwei Vierergruppen geteilt, und Lissi zieht ihre Gegnerinnen wie eine Lokomotive durch das Stadion. Am Ende überwiegt die Milchsäure und Elisabeth wird Sechste. Mehr als erwartet wurde. Auf der Pressetribüne herrscht Gemütlichkeit, und anders als bei großen Meisterschaften gibt es Patriotismus. Jede Athletin und jeder Athlet ist wichtig, da es um Punkte für die Mannschaften geht. Bei den großen internationalen Meisterschaften haben oft schon die Vierplatzierten nur mehr den Stellenwert eines Rädertierchens.    

Nach acht Disziplinen sind wir abgerutscht und auf einen Abstiegsrang. Wen kümmert das. Jetzt kommen die 1.500 m und Andi Vojta. Er zeigt gleich zu Beginn, dass nicht der Weg das Ziel ist, sondern der Sieg. Einige im Feld wollen das nicht glauben und beginnen auf der letzten Runde wild zu überholen. Das kann nicht gut gehen. Nur Gegner mit stabiler Verfassung können mit Andreas mithalten. Courage allein genügt nicht. Locker mit freundlichen Blicken zurück läuft Andi den Sieg für Österreich nach Hause.

Dann geht es im Stakkato. Lukas Weißhaidinger holt 2 Punkte mit der Kugel, Stefanie Huber über die Hindernisstrecke und Susanne Walli über eine Stadionrunde zahlen jeweils drei Punkte für die Mannschaft ein.

Die 3.000 m ohne Hürden und ohne Hindernisse werden ein Leckerbissen mit Jenni Wenth. Das Feld ist über vier Runden geschlossen. Doch Jenni ist keine Freundin des langen Wartens. Das Brimborium eines vorsichtigen Abtastens  liegt ihr nicht. Sie setzt sich an die Spitze und bestimmt das Tempo. Die Läuferinnen aus Serbien und Slowenien sind aber sehr sekkant und drücken sich 600 m vor dem Ziel an Jenni vorbei und aufs Tempo. Wenth wird Dritte und machte einen guten Job. Gemeinsam mit Elisabeth Eberl, die im Speerwurf Vierte mit Saisonbestleistung wird, bleiben wir dadurch in der Gesamtrechnung stabil.

Manuel Leitner gelingen 7,29 m im Weitsprung und bringt mehr Punkte, als die Eingangsliste versprochen hat. Zufrieden ist er nicht. Ich schon.  

Brenton RoweKnapp nach 18 Uhr beginnt Brenton Rowe den 5.000-m-Lauf. Es herrscht Badetemperatur, was Brenton aber nicht kümmert. Born, to be vorn, wie der Lateiner sagt, wenn er auch Englisch kann. Der Lauf gestaltet sich flott, da der Israeli Moogas und der Serbe Ljajic Tempo machen. Brenton hält sich an dritter Stelle auf und reiht sich nach fünf Minuten als Zweiter ein. Das übrige Feld ist 200 m zurück. Dann reißt der Serbe ab, und der Israeli bleibt weiter lästig. Spannender geht es nicht.  Plötzlich beginnt Moogas aggressiv zu fuchteln an und legt einen Zwischenspurt ein. Das passt Brenton ganz gut. Er verabschiedet sich grußlos, überrundet das übrige Feld und holt sich mit 14:09 min. einen überlegenen Sieg. Eigentlich sollte er dafür neun Punkte bekommen. 

Nach 19 Bewerben sind wir nun an sechster Stelle und haben zwei Punkte Vorsprung auf den Vorletzten Israel. Zypern ist Letzter. 

Die Staffelbewerbe über 4x100 m beenden den Tag. Den Ablauf habe ich in bruchstückartiger, aber guter Erinnerung. Niemand von uns hat hier viel erwartet. Aber die acht Speedys liefern eine Sensation. Die Damen werden Dritte und die Männer Zweite. Wer hätte das gedacht? Ich stehe im Presseraum auf dem Tisch und es mir wurscht, ob man das darf.

Nach der Rechnung von Helmut Baudis könnten wir nach dem ersten Tag 87 Punkte haben. Es sind aber – trotz Nichtteilnahme beim Männerhochsprung - 88 Punkte geworden. Damit sind wir an hervorragender 5. Stelle.
Die Mannschaft ist wahrlich zum niederknien.
 

Herbert Winkler

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