Helmut Digel im Interview: „Österreich muss an sich glauben!“

Univ.-Prof. Dr. Helmut Digel, IAAF Council Mitglied und ehemaliger Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, war einer der Ehrengäste beim Austrian Athletics Award am 25. Jänner in Wien. Die ÖLV Nachrichten haben den Besuch des Soziologen aus Tübingen für ein Gespräch genutzt.

Gleich vorweg streute er dem ÖLV für den stimmungsvollen Gala-Abend Rosen: „Bei uns in Deutschland ist es nicht möglich, eine solche Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Die jungen Sportler haben gezeigt, wie sehr die Leichtathletik begeistert. Ich freue mich auch über die klaren Plädoyers für einen sauberen Sport, die ich hier gehört habe.“

Leichtathletik-WM: Nur drei Länder ohne TV-Übertragung?

Im Vorstand des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF ist Digel mit der Vermarktung von TV-Rechten befasst. Entsprechend initiativ zeigte er sich daher bei der Frage der Leichtathletikübertragungen im ORF. „Ich würde mich freuen, wenn bei Großereignissen wie bei den Weltmeisterschaften in Moskau die österreichischen Athleten im heimischen TV gezeigt würden. Ich hoffe, dass wir eine Lösung mit dem ORF finden. Ich gehe davon aus, dass es höchstens drei Nationen in Europa sind, die nicht die WM in Moskau übertragen. Die Schweiz hat kürzlich abgeschlossen, mit Spanien ist eine Einigung in Aussicht. Es werden noch Gespräche mit Aserbaidschan und Kasachstan geführt. Mir wäre am liebsten, wenn niemand übrig bleibt.“

Olympia wäre Riesenchance für Leichtathletik

Die Diskussion um die Volksbefragung zur Bewerbung um Olympische Sommerspiele in Wien, die „für Außenstehende doch sehr überraschend kam“, verfolgte er mit großem Interesse. „Gerade nach der für Österreich relativ demütigenden Situation von London ist eine Olympiabewerbung ein Knüller. Die Konsequenz einer Olympiabewerbung wäre eine aktive Leichtathletikpolitik. Österreich müsste gezielte Olympiainitiative starten, um Anschluss an die Weltspitze zu finden. Denn man wäre auch sportlicher Gastgeber. Erfolg ist wichtig für die Identifikation mit diesen Spielen, und der Leichtathletikerfolg ist der Wichtigste. Die Wahrscheinlichkeit, Erfolg zu haben ist groß, weil es 47 Entscheidungen gibt.“

Die derzeitige Position Österreichs im internationalen Sport sieht er jedoch problematisch: „Österreich hat im Olympischen Sommersport keine vergleichbare Position aufzuweisen wie im Wintersport. Das betrifft die sportlichen Erfolge wie den Einfluss in internationalen Gremien.“

„Österreich muss an sich glauben!“

Der vielfach geäußerten Skepsis, ob Wien aufgrund der derzeit tristen Sportstättensituation und der relativen Kleinheit der Stadt ein Ereignis wie Olympia überhaupt stemmen könne, setzt er entgegen: „Es wären 15 Jahre Zeit, da kann Enormes entwickelt werden, wenn man an sich selbst glaubt. Österreich muss an sich selbst glauben, nicht an sich selbst zweifeln.“

Eine Olympiabewerbung sieht er generell auch unter dem Aspekt der Stadtentwicklung. „Es müsste bewusst eine moderne „Sportcity Wien“ entstehen. Die Frage lautet: Ist Wien bereit, neue Infrastrukturen zu schaffen, damit man den Qualitätsansprüchen genügt, die man bei Großereignissen erwartet? Bei Winterspielen gibt es allerdings einen relativ bescheidenen Effekt auf die Infrastruktur und die Stadtentwicklung. Hier sehe ich eine Chance für Wien im Sommersport.“

Lesen Sie das ausführliche Interview in der Langfassung über die richtige Größe von Leichtathletik-Weltmeisterschaften, erfolgversprechende WM-Austragungsstädte (wie Wien), die Kreativität kleiner Leichtathletiknationen und notwendige „Roadmaps“ für Athleten in der nächsten Ausgabe der ÖLV Nachrichten, die Ende der Woche versandt bzw. hier auf der Webpage online gestellt wird!

 

Fotos: ÖLV / Andreas Elgert (1), GEPA pictures (1)
 

Andreas Maier | 05.03.2013

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