Sternstunden für Günther Matzinger: Zweimal Gold bei den Paralympics in London

Tolle Leichtathletikerfolge der österreichischen Teilnehmer: Sieg mit Weltrekord über 800m und mit Europarekord über 400m durch Matzinger. Marinkovic, Eder und Geierspichler holten Bronze.

Die Paralympics in London haben Rekorde gebrochen. Niemals war die Zahl der teilnehmenden Sportler und Nationen – 4280 Athleten aus 166 Ländern – größer. Niemals gab es ein vergleichbares Medieninteresse an den Erfolgen und Stories der Behindertensportler. Für großen Jubel haben auch mehrere österreichische Leichtathleten gesorgt. Allen voran Günther Matzinger mit Gold über 400 Meter und 800 Meter. Dazu freuten sich Bil Marinkovic im Diskuswurf, Natalija Eder im Speerwurf und Thomas Geierspichler im 400m Rennrollstuhlbewerb über Bronzemedaillen.

Der 25-jährige Günther Matzinger erlebte im randvollen Olympiastadion von London zwei Sternstunden. Zunächst siegte er am 4. September über 400m der Klasse T46 in neuem Europarekord von 48,45 Sekunden. „Ich kann es gar nicht glauben. Ich bin hier her gekommen, um eine Medaille zu machen. Dass es jetzt Gold geworden ist, ist der absolute Wahnsinn“, war der Salzburger überwältigt. Am Samstag, 8. September, dem vorletzten Tag der Bewerbe, krönte er eine für ihn phantastische Woche mit Gold über 800 Meter in neuer Weltrekordzeit von 1:51,82 Minuten. Als einziger Europäer des Finales setzte er sich nach einer läuferischen und taktischen Glanzleistung gegen sieben afrikanische Athleten durch. Nach der ersten Runde lag er noch an letzter Stelle des Feldes. Er schob sich dann jedoch gut an die vierte Position nach vorne und stürmte auf der Zielgerade unwiderstehlich zum Sieg. „Ein Wahnsinn, ich kann es überhaupt noch nicht fassen“, fehlten Matzinger fast die Worte. „Ich habe gewusst, dass die zweiten 400 Meter meine stärkeren sind. Meine Taktik ist voll aufgegangen und ich bin sehr froh, dass ich am Ende noch die Kraft hatte, den Sprint durchzuziehen.“

Seit Geburt an leidet Günther Matzinger an einer Fehlbildung des rechten Unterarms. Besonders in der Startphase von Rennen und durch den größeren Aufwand, um das Gleichgewicht zu halten, ist er gegenüber Sportlern mit zwei Armen beeinträchtigt. Bei seinen häufigen Meetings- und Meisterschaftsstarts in Österreichs Leichtathletikszene (der Nicht-Behinderten) merkt man fast nichts davon. Er ist ganz selbstverständlich Teil des Starterfeldes, und meistens weit vorne dabei. Heuer gewann Matzinger gleich drei Einzel- und eine Staffelmedaille (für ÖTB Salzburg LA) bei Staatsmeisterschaften. Mit seiner in London erzielten 400m Bestzeit von 48,45 Sekunden liegt er an zweiter Stelle der ÖLV-Bestenliste 2012. Auch wenn man berücksichtigt, dass heuer kein gutes 400m-Jahr für Österreichs Leichtathletik war, ist seine Leistung beeindruckend. „Ich muss meinem Trainer Edi Holzer danken", betont Matzinger nach seinem London-Triumph. „Er betreut mich seit Jahren, und er hat mich optimal eingestellt."

Seit Matzinger in München in einer Bank für Kapitalmarktfinanzierung arbeitet, muss er die Trainingszeit strikter einteilen und auch etwas einschränken gegenüber der Studienzeit in Krems. Bereits 2008 war er in Peking bei den Paralympics am Start. Rang 5 über 400m, nur hauchdünn von Bronze entfernt, brachte ihm Freude aber auch Ärger über die damals verpasste Medaille. Mit Erfahrung, einer Kombination von höherer Intensität und mehr Ausdauerläufen sowie der Wirkung mehrerer Trainingsjahre hat er sich nun entscheidend steigern können und zwei große
Triumphe gefeiert.

Bil Marinkovic ist vielen in der österreichischen Leichtathletikszene als Speerwerfer bekannt. Manchmal hat er außer Konkurrenz bei Meisterschaften mitgeworfen. Mit dem Paralympics-Sieg in Athen 2004 feierte der schwer sehbehinderte Wiener seinen größten Erfolg. Dass er in London nun im Diskuswurf und Kugelstoß antrat, hat sportpolitische Gründe: der Speerwurf seiner Kategorie wurde aus dem Paralympics-Programm genommen. Die Umstellung hat er jedoch hervorragend gemeistert. Mit Bronze im Diskuswurf (34,59m - F11) und dem achten Platz im Kugelstoß (12,21m - F11/12) hat der über Jahre hinweg von ÖLV-Wurfcoach Gregor Högler betreute Athlet sehr gut abgeschnitten. Durch die sehbehinderte Natalija Eder, die den Speer (F12/13) auf die persönliche Bestweite von 38,03m warf, gab es eine weitere österreichische Wurf-Bronzemedaille bei den Paralympics.

Rennrollstuhlfahrer Thomas Geierspichler, in Peking 2008 Paralympics-Sieger im Marathon, musste sich durch Streichung dieser Disziplin auf Kurzstrecken konzentrieren. Über 400 Meter (T52) schaffte er in 1:04,64 Minuten trotzdem die Bronzemedaille.

Der Osttiroler Robert Mayer, der nach einem Stromunfall an einem Unterschenkel amputiert wurde, trat im 100m (12,61 Sekunden) und 200m Sprint (24,67 Sekunden) in der Klasse T44 an. Als Jugendlicher ein hoffnungsvoller Fußballspieler am Sprung aufs internationale Parkett, wurde er nach seinem Unfall von Mehrkampftrainer Sepp Schmidl zur Leichtathletik motiviert.

Georg Tischler, nach einem Verkehrsunfall querschnittgelähmte
Paralympics-Sieger von Athen 2004, kam im Kugelstoß (F54/55/56)
mit 8,69 Meter auf den 14. Rang.

www.oepc.at

www.london2012.com

Fotos: GEPA pictures

 

Andreas Maier | 08.09.2012

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