Cross-EM: Innenansichten aus Velenje (Sonntag)

Die Sonne ist beleidigt und lässt sich nicht blicken. Dafür macht auch kein Regen die Cross-Strecke tief und nass. Einstweilen ist auch Andi Vock, der Trainer von Jenni Wenth, eingelangt und verbreitet beim Frühstück Frische und Motivation. Die U20-Mannschaft fährt um 8:45 Uhr vom Hotel zur Laufstrecke. Die Mädchen sind nervös und aufgeregt. Ich vermute, dass ihre Spannung im E-Werk von Velenje die Zeiger ausschlagen lässt. Die Teilnahme an dieser Europameisterschaft ist für sie eine große Auszeichnung. Um 10:45 Uhr eröffnen sie den Reigen der Läufe. Der Parcours hat eine kurze Runde über 500m und eine lange Runde über 1500m. Diese werden je nach Länge eines Bewerbes kombiniert und mäandern durch die Gegend.

Im ersten Startfeld sind 93 Läuferinnen. 4000 Meter sind zu laufen. Der Start erfolgt zwar geordnet aus Boxen, gleich darauf geht es aber bergab, und es kommt zu undemokratischen Positionskämpfen. Magdalena Asamer erwischt den Start gut und ist nach einem Kilometer an 70. Position. Kathi Kreundl beginnt verhaltener und ist nach einem Kilometer an 88. Stelle. Bald zieht sich das Feld auseinander und die Favoritinnen aus Großbritannien, Serbien und Rumänien ziehen davon. Am Ende der Karawane kämpft Susanne Mair. Ihr wäre jetzt ein saftiger Anstieg im trockenen Gras recht. Nach 2500m ist Kreundl bereits 88., Asamer steht noch immer am Gas und ist 74. Sophie Wallner läuft wie eine Uhr und bleibt über das ganze Rennen gleichmäßig um den 85. Rang. Nach der Hälfte des Rennens haben sich unsere Queens gut eingelaufen und in die zweite Hälfte des Feldes eingefädelt. Diese Positionen geben sie auch nicht mehr auf. Auch Susanne überholt einstweilen couragiert und rückt von den hinteren Plätzen immer mehr nach vorne. Sie will nicht der Rest vom Rest werden. Im Ziel holt Katharina noch kräftig auf und wird 69ste. Magdalena rechtfertigt ihre Nominierung mit einem 74. Platz. Sophie kommt knapp dahinter auf Rang 81. Susanne staubt den 87. Rang ab. Die Rumänin Ioana Doaga, die im Lauf immer die Erste war, verliert dann noch knapp. Siegerin wird die Britin Emilia Gorecka.

Die Veranstaltung läuft wie geschmiert ab. Zu geschmiert. Es fehlt an Esprit und Leidenschaft. Zuschauer gibt es nur in einer Ecke des Areals und nur im Außenbereich. Die Ordner sprechen nur Slowenisch und agieren wie Polizisten. Eine große Videowall flimmert die Ereignisse und Ergebnisse auf die Tribünen, die nur den VIPs und der Presse zugängig sind.

Jenni Wenth liefert über die 6.000 m bei den U23-Frauen einen Überbingo. Sie spielt ja längst mit der ersten Europaliga mit. Wenth startet im Feld der 43 Cross-Damen verhalten und ist nach zwei Kilometern an 17. Stelle. Tanja Eberhart, die heute Geburtstag hat, ist auf Rang 37 positioniert. Für sie ist eine 6-km-Strecke nur die Tara eines Marathonpaketes. An der Spitze matchen sich britische und deutsche Läuferinnen. Zur Hälfte der Distanz ist Wenth 15te und nach 4,5 Kilometer bereits an 12. Stelle. Während nun in ihrer unmittelbaren Umgebung das Laktat wie Sodawasser zu sprudeln beginnt, bleibt Jenny frisch und hurtig. Tanja läuft einstweilen ein Solorennen. Vor und hinter ihr sind Abstände entstanden. Als das Zielband in Sichtweite kommt, verabschiedet sich Jenni von ihren widerborstigen Konkurrentinnen und sprintet als Zehnte ins Ziel. Tanja macht sich auch ein Geburtstagsgeschenk und schneidet besser ab als letztes Jahr. Platz 36 für die heute Zweiundzwanzigjährige. Beide sind mit ihrer Leistung zufrieden. Ich sitze im Pressezentrum in der Juhuu-Abteilung.

Unsere Trainer sind auf der Strecke aufgestellt und informieren, motivieren und applaudieren. Die Begeisterung für ihre Schützlinge ist inflationsgesichert. Andreas Vojta legt seinen Lauf anders als Jenni an. Er beginnt sein Rennen über die Wiesen und Felder, in dem er sich bis Kilometer zwei auf dem 10. und 11. Platz aufhält. Damit sind die allermeisten der 98 Teilnehmer hinter ihm. Die Kilometerzeit liegt dabei bei 3:05 min. Da keimt sogar Hoffnung auf eine Überraschung auf. 1500 m und ein wenig mehr ist Andis Hausstrecke. Da war er bei der Freiluft-EM schon im Finale. Doch jetzt machen vorne die Briten, Russen und Deutsche Tempo und streiten sich um die Spitzenplätze. Das Tempo wird schneller und der Sauerstoff wird bei den Läufern zum kostbaren Gut. Andi fällt zurück und hat mit dem Gerangel um die vorderen Plätze nichts mehr zu tun. Seine Tempohärte für ein Achtkilometerrennen ist noch nicht auf Hochplateau. Am Ende gewinnt der Franzose Carvalho mit einem imponierenden, langen Sprint. Andreas kommt 41 Sekunden später ins Ziel und wird 35ster. Zufrieden ist er mit der Platzierung nicht, aber der Aufbau für London stimmt.

Am späten Nachmittag kommt es noch zum Showdown der Cross-Spezialisten bei den Männern. Ein Feld von 76 Läufern ist am Start. Darunter Serhyi Lebid, der Seriensieger der letzten Jahre. Aber auch Großbritannien und Portugal haben ihre Topläufer mit. Von unserer Mannschaft geht Christoph Sander auf die Strecke. Er ist der Drittjüngste im Läuferfeld. Lebid gibt auf, als er seine Fälle davon schwimmen sieht. Den Sieg läuft Bekele für Belgien heraus. Das ist das erst Mal, dass Belgien einen Sieger bei Cross-Meisterschaften stellt. Die Vornamen von Bekele sind Atelaw und Yeshetela. Sie klingen weder wallonisch noch flämisch. Christoph schlägt sich gut. Sein Vorhaben ist, besser als voriges Jahr zu sein. Es legt das Rennen durchaus mutig an, kommt gut in Schwung und verliert erst gegen Ende der 10 Kilometer die Kraft. Er wird mit 32,59 min. 69ster der Männerliga. Ein guter Einstand in die Welt der Senioren. Auch Papa Sander ist zufrieden.

 

 

 

 

 

 

 


Fotos: W.Lilge

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Herbert Winkler | 11.12.2011

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