Team-EM - Innenansichten aus Novi Sad (Sonntag)

Paul KilbertusHeute ist der Himmel bedeckt, und die Temperatur ist drastisch gefallen. Vormittag regnet es sogar. Die Kühlung bringt eine Linderung der glühenden Zumutung. Am Nachmittag ist ideales Wettkampfwetter.

Schaut man sich in Novi Sad um, merkt man, dass an manchen Gebäuden der Zahn des Zeitgeistes nagt. Auch sind noch hi und da die Wunden aus dem Bombardement der NATO sichtbar. 1999 wurden im Kosovo-Krieg alle Brücken über die Donau zerstört. Noch heute gibt es in Novi Sad das therapeutische „Zentrum für Kriegstraumatisierte“. Die Stadt hat aber mit ihren breiten Boulevards und ihren vielen Grünanlagen durchaus Charme.
 
Julia Siart streift den Österreichischen RekordIm Stadion machen sich um 15 Uhr die Hammerwerferinnen und die Stabhochspringer für ihre horizontale und vertikalen Performance bereit. Für Österreich starten Julia Siart und Paul Kilbertus. Stabhochsprung ist ja gerne ein Refugium für Gescheiterte. Gleich zu Beginn produziert der Springer aus Litauen einen Salto nullo. Kilbertus steigt mit einem Fehlversuch über 4,70 m ein und braucht auch über 4,85 m zwei Versuche. Das bleibt dann auch das Endresultat. Zwei Punkte kommen aufs Österreichkonto.
 
Julia Siart ist vor dem Wettkampf weder eine Ziffer noch eine Zahl für eine Weite zu entlocken. Sie hat an Novi Sad wurmstichige Erinnerungen und wünscht sich ein herzliches Schwamm drüber. Diesmal nimmt sie uns nicht ins Gefühlscasino mit. Sie steigt mit einer Weite über 53,54 m ein und steigert sich von Wurf zu Wurf. Im letzten Versuch schlägt der Hammer bei 56,92 m in den Rasen ein. Saisonbestleistung, zweiter Platz und sieben Punkte für uns. Für Julia ist es ihre zweitbeste Weite überhaupt. Einen besseren Einstieg kann man sich nicht wünschen.
 
Gerhard Mayer hatte mit den rutschigen Kreis zu kämpfenDamit sind wir in der Gesamtwertung wieder mit 99 Punkte Fünfter im Achter-Club. Jetzt geht es aber mit Maximalhoffnungen in die nächsten zwei Bewerbe.
 
Das Diskuswerfen der Männer wirkt wie ein Casting für einen Herkulesfilm. Einige Athleten haben Oberarmmuskeln von der Konsistenz einer schusssicheren Weste. Mitten drin Gerhard Mayer. Er hat nach seinem achten Platz bei der Weltmeisterschaft in Berlin seine wurftechnischen Koordinaten verändert. Damit ist er noch immer beschäftigt. Seine Leistung ist wie immer Weltklasse und überraschungslos gut:  59,90 m. Damit wird er Dritter in der Konkurrenz. Der Abstand zum zweitplatzierten Abromavicius, der einen Zentimeter weiter wirft, ist wohl ein Fall für die Nano-Forschung.
 
Beate Schrott ist seit dem letzten Jahr eine solide Punktelieferantin im Nationalteam geworden.Sie bringt auch in Novi Sad ihre Hochform auf die Bahn. Beate wird lediglich von Tamosaityte aus Litauen geschlagen und läuft 13,32 sec. über die 100 m Hürden.
 
Der 800 m-Lauf mit Andi Vojta wird zum Krimi. Nichts für schwache Nerven. Keine Substanz verdunstet bei einem Lauf über die zwei Stadionrunden so schnell wie der Sauerstoff. Es kann ziemlich brutal werden. Andreas liegt im Lauf lange auf Rang drei und besetzt geschickt die Innenbahn. Der Spitzenpulk ist ständig auf Hautkontakt. Nach 550 m kommt Nervosität im Feld auf und die Positionskämpfe beginnen. Andreas kommt kurz ins Stolpern. Schock. Das ist aber für Andi zugleich das Signal für einen fulminaten Endspurt. Er staubt nacheinander drei Konkurrenten ab und wird Erster. Ich brauche jetzt eine Baldrian-Limo.
 
Beate SchrottGleich darauf geht Jennifer Wenth auf die 1.500 m. Ihr zweiter Wettkampf. Sie hat gestern schon die 3.000 m gewonnen. Wie viel Kraft sie heute noch hat, liegt zwischen Phönix und Geheimnis. Jenni startet auch diesmal wie eine zeitknappe Frau und führt das Feld wie eine Lokomotive über die Runden. Es entwickelt sich eine lang gezogene Karawane. Am Ende bleiben nur mehr Wenth und die Serbin Muncan an der Spitze. Jenni wird Zweite. Jetzt ist mir sogar nach einem Tischtanz zumute. 15 Punkte in zwei Bewerbeni
 
Nach 29 Durchgängen hat die Mannschaft 133 Punkte gesammelt und liegt auf dem fünften Platz.
 
Dann komme ich beim Zuschauen in den Stress. Die Punkte vermehren sich in einem On-off-Rhythmus. Christina Scheffauer bringt im Kugelstoßen zwei, Chudarek Bernhard über die 200 m vier, Monika Gollner im Hochsprung vier Punkte, Marina Kraushofer im Weitsprung einen Punkt  und Stefanie Perfler über die 5.000 m zwei Punkte.
 
Zum zweiten Mal beweist Doris Röser über die Sprintstrecke, dass sie zu den schnellsten Läuferinnen im Ligafeld gehört. Heute läuft sie über die 200 Meter einen Stockerlplatz heraus und bringt ganz wichtige Punkte für die Mannschaft ein..
 
Dass  Martin Pröll wieder dabei ist, freut mich sehr. Er ist über die 3.000 m Hindernis immer für gute Leistungen gut, ist aber derzeit noch nicht in höherer Form. Es wird ein Lauf mit Lichtbrechungen. Martin bleibt lange im Spitzenfeld und macht auch Tempo. Doch dann erweisen sich drei Gegner als richtig widerborstig und lassen sich nicht niederringen. Martin wird mit knapp neun Minuten Vierter.
 
Einstweilen ziehen über der Stadt dichte Wolken auf und eine Sintflut liegt vor uns.
 
Martin PröllToll dann der Lauf von Schurli Mlynek. Er ist ein stabiler Läufer auf ambulanten Stadionstrecken. Diesmal sind es die 3.000 m und demnach siebeneinhalb flache Runden. Der Lauf ist von Beginn an kein nettes Spiel wie Schifferlversenken. Eine Fünfergruppe matcht sich bis zur Schlussrunde um Bahnen und Positionen. Dann geht eine Dreiergruppe ab und auch der Bulgare Popov bietet Mlynek keine Freundschaft an. Georg fällt auf den fünften Platz zurück. Aber nicht lange. Mit gusseisener Sturheit geht Georg mit Popov mit und zeigt ihm die letzten 150 Meter die Rückenansicht. Georg wird Vierter und schenkt der Mannschaft fünf Punkte.
 
Vor den Staffelbewerben über 4 mal 400 Meter lässt das Wetter keine trockene Sicht mehr zu. Es schüttet wie aus Eimern. Wir sind nach 38 Bewerben an sechster Stelle. Nur drei Punkte hinter den Dänen.
 
Dann liefern beide Staffeln einen Lauf ohne jede Unterzuckerung. Die Frauenstaffel mit Verena Wiederin, Pamela Märzendorfer, Verena Menapace und Betina Germann wird Fünfte.
 
Die Männer mit Ali Hofmann, Florian Mayrhofer, Christoph Schöberl und Michael Laufenböck machen es den Frauen nach und werden auch Fünfte.
 
Die Nationalmannschaft hat sich ganz fulminant geschlagen und verbleibt in der Liga. Das war nicht unbedingt zu erwarten. Die Vorstellung der Athletinnen und Athleten war durch die Bank eine Chronik des guten Gelingens. Da kann man nur gratulieren.
Herbert Winkler

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