Innenansichten aus Paris (Sonntag)

Die Sonntagsruhe in der Seine-Metropole fegt auch die Stadtautobahnen leer. Die bewusstseinseinschränkende Hektik der Stadt ist erträglich geworden. Die Sonne bemüht sich um Stimmung, die Temperatur bleibt aber knackig. Wir sind im Stadtteil Bagnolet untergebracht. Riesige Betonklötze, unpersönliche Gassen und die üblichen Fastlife-Geschäfte machen die Gegend unsympathisch. Abends bleibt man gerne im Hotel. Wien ist kuscheliger.

In der Stadt der Liebe
Im Stadion zeigt man, dass wir in der Stadt der Liebe sind. Die Kameras zoomen auf die Pärchen im Hallenoval und der Hallensprecher fordert diese auf, sich zu küssen. Das ergibt lustige Szenen und ein riesiges Hallo im Stadion.

Kontostand wächst
Dominik Distelberger und Roland Schwarzl beginnen ihren zweiten Tag im All-you-can-eat-Programm mit dem 60 m Hürdenlauf. Beide sind voll motiviert. Schwarzl, da er eine neue Saisonbestleistung vor den Beinen hat, Distelberger, da er den Hürdenlauf liebt. Roland legt auch dementsprechend los und lässt schon nach drei Hürden vergessen, dass er auf dem Papier der Langsamste im Septett ist. Er wird Fünfter seines Laufes. 8,27 sec. sind neuerliche Jahresbestleitung und bringen 915 Punkte aufs Girokonto.

Einen Meter vor dem Feld
Dann hockt Dominik in der Startmaschine. Er strotzt vor Selbstvertrauen, und das bringt er auch auf die Bahn. Sein Lauf ist eine Demonstration vom Feinsten. Würde er nicht hie und da das rechte Bein ausstrecken, könnte man glauben, er läuft 60 m flach. Beinahe waagrecht fliegt er durchs Ziel, einen Meter vor dem übrigen Feld. Klar, dass er Bestzeit mit 7,87 sec. fixiert.

Hochdruck gegen Muskelphysiologie
Doch irgendetwas stimmt nicht. Dominik verlässt hinkend die Laufbahn. Gleich darauf kommt die Hiobsbotschaft. Er hat sich beim Lauf am hinteren Oberschenkel verletzt. Vermutlich ein Muskelfasereinriss. Alfred Engel und Gabi Mitischka arbeiten mit Hochdruck gegen die Muskelphysiologie. Mit dicker Bandage geht Distelberger noch zum Stabhochsprung, kann aber nicht mehr starten. Das darf doch nicht wahr sein! In einer halben Stunde zeigt sich, wie nahe beisammen Himmel und Fegefeuer, Penthouse und Souterrain, Euphorie und Dysphorie im Sport liegen. Dominik kann zum Wettkampf nichts mehr beitragen, wird aber weiter als Wettkämpfer geführt und belegt den 15. Platz im Feld der Heptathleten.

Chanel, Dior und Yves Saint Laurent
Um die Mittagszeit flanieren die Pariser in den vielen Parks der Stadt und genießen die Frühlingswärme. Essen spielt eine Hauptrolle in der Stadt der Genüsse. Die Bistros und Haubenlokale sind gut besucht. Chanel, Dior und Yves Saint Laurent sind auch allgegenwärtig. Zumindest in den Nobelvierteln.

Höhenflug geht weiter
Im Stabhochsprung setzt Roland Schwarzl seinen Höhenflug fort. Er überspringt alle Höhen von 4,70 m aufwärts im ersten Versuch. Auch bei 5,10 m hat er keinen Fehlversuch und fährt damit seine sechste Saisonbestleistung ein. Erst die luftige Höhe von 5,20 m macht Probleme. Nach einem Fehlversuch wechselt er den Stab und optimiert den Anlauf. Doch die Latte ist widerborstig und gestattet Roland keinen Abschneider. Es bleiben 5,10 m stehen und bringen Roland auf den 9. Platz der Rangliste.

Elysium einer Sackgasse
Um 15.00 Uhr gehen dann die Siebenkämpfer in ihren letzten Wettkampf. 1.000 Meter, um Laktat zu erzeugen und einen Platz im Elysium der gequälten Menschen sicherzustellen. Roland läuft auch dieses Rennen voll engagiert. Bei 2:50 min. bleibt die Uhr stehen. Damit hat er insgesamt 5.846 Punkte gesammelt und den 10. Platz erreicht. Phantastisch, wenn man weiß, dass ihn in diesem Winter eine Kolonie von lausigen Keimen am Trainieren gehindert hat. Wenigstens eine Sackgasse in Paris sollte man nach Roland benennen.

Dreimal Top-10
Damit steht schon jetzt fest, dass unser Primeteam durch Clemens Zeller einen achten und mit Roland Schwarzl einen zehnten Platz bei diesen Europameisterschaften erreicht hat. Und das, bevor noch Ryan Moseley im Finale des 60-m-Laufes durchstarten wird. Aber da bin ich schon auf dem Weg zurück nach Wien.

Fotos: GEPA pictures / Mario Kneisl


 

Herbert Winkler | 6.3.2011

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