Innenansichten aus Paris (Samstag)

Ein neuer wolkenloser Tag in der französischen Hauptstadt beginnt. Unter Tag sind die Straßenlokale schon gut bevölkert. Mit einem Spaziergang allein kann man diese Stadt nicht ergründen. Alles ist weitläufig und monumental: die Plätze, die Boulevards und die Kirchen. Es gibt aber auch enge Gassen, bewachsene Hinterhöfe, streunende Katzen und bröckelnde Hausfassaden.

Rallye mit sieben Sonderprüfungen
Im Stadion eröffnen die Siebenkämpfer den Tag. In der Startliste findet sich weder ein Deutscher noch ein Italiener oder Brite. Dafür stellt Österreich gleich zwei Athleten: Roland Schwarzl und Dominik Distelberger gehen gemeinsam auf die Rallye der sieben Sonderprüfungen.

Nervenbügeln & Baldrian
Schon zu Beginn braucht man als Zuschauer gut gebügelte Nerven. Roland legt gleich einen Fehlstart hin. Beim nachfolgenden Fehlstart ist er nicht beteiligt, es wird aber auch niemand aus dem Rennen genommen. Der dritte Start gelingt. Schwarzl läuft mit 7,27 sec. Saisonbestleistung. Dominik gelingt der Start nicht optimal, kommt aber dann toll in Schwung. Seine 6,92 sec. bedeuten den dritten Platz in der Riege der Mehrkämpfer. Auch beim Weitsprung brauche ich eine Baldrian-Limo. Nach zwei Versuchen liegt weder bei Schwarzl noch bei Distelberger eine hoffnungsfrohe Weite vor. Beide haben auch einen Sprung übertreten. Doch dann wird es doch noch bingo. Roli lässt seinen letzten Abdruck mit 7,41 m, Dominik mit 7,17 m in der Grube.

Barry White & Beethoven
In der Halle ist ausgelassene Stimmung. Wie bei einem spannenden Film sind die Wettkämpfe mit einem Soundtrack unterlegt. Es wird Barry White genauso geboten wie Salsamusik und Beethoven. Vor jedem Start wird ein fetziges let‘s go, let‘s go eingespielt.

Zum Kugeln
Für Roland und Dominik geht der Heptathlon mit dem Kugelstoßen weiter. Und wieder überrascht Roland. Mit 14,81 m bringt er seine dritte Saisonbestleistung. Für Dominik war die 7,26 Kilo Kugel noch nie eine Intimfreundin. Trotzdem übertrifft er zwei Mal die 12 Meter. Einmal macht die Kugel sogar bei 12,42 m eine Delle in die Kunststoffmatte.

Rechnen verboten
Am Nachmittag wärmt Andreas Vojta auf und macht sich für den 1.500 m-Lauf fertig. Er wurde bereits in Barcelona von Willi Lilge auf Hochglanz gebracht. Dort kam er auch prompt ins Finale. Diesmal läuft es aber nicht so gut. Lange hält er sich in seinem Vorlauf an dritter Stelle und hält klug die Innenbahn. Auch als die ersten Attacken geritten werden, ist er nicht widerstandslos und hält mit. Dann geht aber in der Gruppe die Post ab, und Andi fällt leider und dann weit zurück. Mit 3:43 min. gewinnt Manuel Olmedo aus Spanien. Andreas läuft 3:49 min. Die anderen beiden Vorläufe werden mit 3:47 min. gewonnen. Zeiten, die weit über Vojtas Saisonleistung von 3:41 min. liegen. Doch solche Rechnungen sind bei Europameisterschaften nicht erlaubt.

Auf Kommission
Auch Günther Weidlinger besucht die österreichische Mannschaft. Er ist in Vorbereitung auf den Marathon in Düsseldorf und wird demnächst die Staatsmeisterschaften im Crosslauf und im Halbmarathon mitmachen. Günther ist als „Gewerkschaftsboss“ in Paris und wird morgen an einer Sitzung der Athletenkommission von European Athletics teilnehmen.

Vierspännig unterwegs
Danach setzen die Siebenkämpfer ihre Expedition vor. Diesmal geht es nicht in die Weite, sondern in die Höhe. Dominik steigt bei 1,85 m in den Hochsprung ein und müht sich in der Folge mit Erfolgen und Misserfolgen bis über 1,91 m. Dies allerdings mit Erfolg. Er ist nicht ganz zufrieden. Roland geht es ähnlich. Auch er hangelt sich von 1,85 m höher und scheitert schließlich bei 1,97 m. Gesprungene Höhe bleibt 1,94 m. Ein guter Tag endet für ihn mit 3.229 Punkten. Damit fährt er morgen vierspännig auf eine neue Saisonbestleistung zu. Dominik bringt 3.120 Punkte in die Tageskasse ein.

Knüller für die Netzhaut
Dann kommt noch ein Knüller. Ryan Moseley ist über die 60 m ins Semifinale aufgestiegen. Vor Paris war seine beste Zeit 6,70 Sekunden. Im Vorlauf steigerte er sich auf 6,69 sec., und nun steht er auf Bahn acht. Ich sitze bei der Ziellinie und bekomme trotzdem nur wenig vom Lauf mit. Der Pulk der Sprinter kommt ziemlich gleichauf ins Ziel. Ryan mitten drin. Meine Netzhaut liefert keine klaren Erkenntnisse. Die Anzeigentafel schon. Ryan wird Zweiter und verbessert sich neuerlich auf 6,68 sec. Er steht morgen im Finale.

Es war ein spannender und guter Tag.

Fotos: GEPA pictures / Mario Kneisl
 

Herbert Winkler | 5.3.2011

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