Innenansichten aus Paris (Freitag)

Die Fahrt vom Hotel zum Sportpalast geht durch den Pariser Frühverkehr. Trotz vierspuriger Stadtbahnen staut es gewaltig. Die Südosttangente in Wien mutet dagegen auch in Stoßzeiten wie ein flott fließender Verkehrsstrom an. Teamarzt Alfred Engel und Physiotherapeutin Ingrid Müller gehören nicht nur zu den Ersten im Stadion, sondern erweisen sich auch als Repräsentanten der Lachgesellschaft.

Verschwundener Rucksack
Beate Schrott ist im Lauf der Frühaufsteher und eröffnet um 9.20 Uhr den Tag für die rotweißrote Republik. Sie trägt den Rucksack des Fehlstarts aus Barcelona im Kopf. Den gilt es abzulegen. Und das klappt. Beate braucht vom Schuss bis zu ihrem Start mehr als eine Nanosekunde, ist nach sieben Schritten bei der ersten Hürde und läuft ein fehlerloses Rennen. Nach 8,25 sec ist alles vorbei und ihre Zufriedenheit schwimmt in Serotonin. Meine auch. Der Rucksack ist verschwunden, die Freiluftsaison kann kommen.

Life is live
Das Hallenstadion füllt sich einstweilen. Fünf Videowalls spielen scharfe Bilder in die Zuschauerränge und lenken einem vom direkten Zuschauen ab. Auch in alle anderen Räumlichkeiten im Stadion wird das Geschehen aus dem Innenraum übertragen. Man ist immer live dabei, egal wo man sich aufhält.

Vierstern-Wurstigkeit in der zweiten Runde
Um 11 Uhr kommt Spannung auf. Clemens Zeller geht auf seine zwei Stadionrunden. Er startet auf Bahn drei und hat drei schnelle Läufer vor sich. Bald nach dem Start entwickelt sich der Lauf gegen ihn. Er fällt deutlich ab. Nach einer Runde ist er an vierter Stelle und hat ein gut abgesichertes Loch aufgerissen. Ein Halbfinalplatz ist so weit weg wie der Mond. Eine Vierstern-Wurstigkeit macht sich bei Clemens breit, gesteht er mir. Aber eine 48-er-Zeit will er auch nicht abliefern und merkt auf den letzten 70 Metern, dass die anderen schwächer werden. Und jetzt wird das Rennen magic. Clemens legt zu. Auf der Zielgeraden wird die Innenbahn frei und Zeller wird statt Vierter Zweiter. Und plötzlich scheint nicht nur vor dem Hallenstadion die Sonne.

Am Nachmittag ist die Halle bereits gut gefüllt. Unsere Mittelstreckenasse gehen im Halbstundentakt in die Rennen: Rapatz, Pallitsch und Wenth.

Partitur in vier Runden
Andreas geht engagiert in die vier Hallenrunden. Die Erinnerungen an seine Leistungen bei der WM in Doha sind ein gutes Gießwasser. Diesmal schafft er es aber nie, vorne Akzente zu setzen. Er reiht sich in die Karawane ein und kämpft tapfer im Hintergrund mit. Die Rennpartitur wird aber ohne ihn geschrieben. Die Uhr für ihn bleibt bei 1:49,96 min stehen.

Molekül an Hoffnung
Raphael Pallitsch geht es ähnlich. Auch er erlebt keine Rutschbahn ins Glück. Wie er es auch anstellt, er findet nicht ins Rennen. Da ich die Spurtqualitäten des Burgenländers kenne, habe ich für die letzten 100 Metern noch ein Molekül an Hoffnung. Doch die Post geht vorne zu schnell ab und Raphael bringt 1:52,19 min. ins Ziel. Er bleibt eine riesengroße Hoffnung für die Zukunft.

Auf der Hebebühne
Jenny Wenth liefert ein makelloses Rennen ab. Sie ist die Jüngste im Feld der 1.500m-Läuferinnen ihres Laufes. Doch sie zeigt wenig Respekt vor den älteren Würdenträgern. Sie reiht sich gleich nach dem Start an die dritte Stelle ein und gibt auch die Innenbahn nie auf. Erst zum Schluss wird sie abgehängt und läuft voll in die Milchsäure. Knapp am persönlichen Rekord vorbei. Eine tolle Leistung, die als Hebebühne der kommenden Saison dienen wird.

Schlusspunkt
Den Schlusspunkt des Freitags setzt Clemens Zeller im Halbfinale des 400m-Laufes. Er, der im Herbst eine schiefe Vogelschau erlebt hat, und erst spät in Schwung gekommen ist, zeigt nochmals eine imponierende Leistung. Gut, ein Finaleinzug geht sich nicht aus. Aber Clemens ist nochmals schneller als im Vorlauf und wird achtschnellster Semifinalist. Ein schönes Ende des Tages für den ÖLV.


 

Herbert Winkler | 4.3.2011

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