ÖLV Barcelona-Talk Günther Weidlinger: Marathonläufer & Kandidat als europäischer Athletensprecher

Die Leichtathletik-Europameisterschaften von 27. Juli bis 1. August in Barcelona versprechen ein Sporthighlight zu werden. 1500 Athleten aus 50 Nationen sind zu Gast in der sportbegeisterten katalanischen Metropole. Prognostizierte 340 Millionen Zuseher werden das Geschehen via Fernsehen verfolgen. Im Olympiastadion am Montjuic sowie im Stadtzentrum, wo die Marathon- und Gehbewerbe ausgetragen werden, feuern Hunderttausende Fans die Teilnehmer an.

In loser Reihenfolge lassen wir hier die ÖLV-Athleten zu Wort kommen, die in Barcelona ihr Bestes geben wollen. Den Anfang macht mit Günther Weidlinger (Union Neuhofen) einer, der als Marathonläufer bereits für die EM nominiert ist. Gemeinsam mit Markus Hohenwarter, Christian Pflügl und Florian Prüller ist er Teil des österreichischen Teams, das auch im Marathon-Europacup, einer Mannschaftswertung für Nationen, antritt. Der 32-jährige Oberösterreicher hält alle ÖLV-Rekorde von 1500m bis zum Marathon und war mit seiner Bestzeit von 2:10:47 Stunden letztes Jahr an elfter Stelle von Europas Jahresbestenliste.

ÖLV: Du hast im Herbst mit 2:10:47 Stunden in Frankfurt den ÖLV-Marathonrekord gebrochen. Im April bist du mit einer Muskelverletzung in der Wade 2:14:05 beim Vienna City Marathon gelaufen. Wie hast du danach wieder ins Training gefunden?

Weidlinger: „Zwei Wochen lang hatte ich absolute Laufpause. Stattdessen war ich im Wasser und am Fahrrad aktiv. Danach bin ich wieder vorsichtig ins Lauftraining eingestiegen. Vier Wochen nach dem Marathon, am 16. Mai, bin ich dann in Manchester in 28:53 Minuten ein 10km-Rennen gelaufen. Damit war ich sehr zufrieden, weil ich erst kurz trainiert hatte. Außerdem habe ich an der Wade nichts gespürt.“

Wie sieht dein Fahrplan bis 1. August aus?

„Der Ablauf wird gleich sein wie vor dem Marathon in Frankfurt letztes Jahr. Von 27. Juni bis 16. Juli fahre ich nach St. Moritz ins Höhentraining. Dafür werde ich demnächst beginnen, zur Akklimatisation im Höhenzelt zu schlafen. Zwei Wochen vor dem EM-Marathon komme ich wieder runter und starte am 18. Juli in Sunderland, England, bei einem 10km-Rennen. Dort werde ich wahrscheinlich einige Läufer treffen, die dann auch beim EM-Marathon laufen werden. Die EM hat einen sehr hohen Stellenwert für mich. Gerade im Langstreckenbereich können wir Europäer uns präsentieren. Dafür will ich 100% fit sein.“

Machen dir die zu erwartenden hohen Temperaturen in Barcelona Sorgen?

„Hitze macht mir nichts, die haben wir in Österreich jetzt auch schon. Wenn es feucht und schwül wäre, würde mir das aber nicht so gefallen.“

Der Marathon wird auf einem City-Kurs über vier Runden durchgeführt, ohne Zieleinlauf im Stadion. Was hältst du davon?

„Das gefällt mir absolut und ist auch für die Zuschauer Spitze! Ein Marathon gehört in die Stadt. In Barcelona kommt dazu, dass das Stadion auf einem Hügel oben liegt. Am Anfang dort runter und am Ende wieder raufzulaufen wäre mörderisch. Meiner Meinung nach sollte man auch die 10.000 Meter auf die Straße verlegen. Im Stadion sind solche Rennen für die Zuschauer langweilig. Eine 2km-Schleife wäre super anzuschauen und auch für die Läufer attraktiv.“

Barcelona wird deine vierte Europameisterschaft. Nach einem Sturz in Budapest 1998 folgten Platz 12 in München 2002 und Platz 7 in Göteborg 2006. Richtig zufrieden warst du damit nie. Mit welchem Gefühl fährst du nun zur EM?

„Es ist eine tolle Herausforderung, gegen die besten Europäer zu laufen und zu sehen, wer an diesem Tag der Stärkste ist. Das wird sehr spannend. Es wird rund 15 Leute geben, die um die Medaillen laufen werden. Da gehöre auch ich dazu. Aber ich sehe mich nicht als heißesten Anwärter. Ich möchte Rang 6-8 erreichen, damit wäre ich zufrieden.“

Kürzlich hat Stefano Baldini, Olympiasieger, zweifacher Europameister und Titelverteidiger aus Göteborg 2006, sein Comeback für den EM-Marathon fix gemacht. Wie schätzt du ihn ein?

„Es freut mich, dass er wieder dabei ist. Er hat schon im November erzählt, als wir in Melbourne beim „Great Australian Run“ waren, dass er bei der EM nochmals antreten will. Darum bin ich jetzt nicht überrascht. Er wird sicher nicht nach Barcelona kommen, wenn er nur 2:20 laufen kann. Aber ich glaube, dass es Leute gibt, die härtere Konkurrenten sein werden.“

Welche Läufer siehst du als Favoriten?

„Die Spanier werden sicher sehr stark sein, auch die Portugiesen. Henryk Szost und Adam Draczinski aus Polen sind beim Vienna City Marathon sehr gut gelaufen. Oleg Kulkov aus Russland ist ein Kandidat. Viktor Röthlin, wenn er sich zu einem Start entschließt. Aber wie man schon in der Vergangenheit gesehen hat, müssen sich bei einer EM nicht immer die Favoriten durchsetzen.“

Was beschäftigt dich abseits des Trainings?

„Es sind viele kleine Dinge. Natürlich lerne ich für mein Studium (Anm.: Wirtschaftswissenschaften). Ich habe mich auch für die Wahl der Athletenkommission des Europäischen Leichtathletikverbandes beworben. Alle Sportler, die bei der EM in Barcelona sind, können dort ihre Vertreter wählen. Dafür trete ich nach Nominierung durch den ÖLV an.“

Was motiviert dich dazu, als Athletensprecher zu kandidieren?

„Ich habe schon vor vier Jahren bei der letzten EM überlegt, dass es interessant wäre, in einem solchen Gremium Ideen einzubringen. Jetzt wird die Wahl neu durchgeführt und auf Hinweis von ÖLV-Sportdirektor Hannes Gruber habe ich mich beworben. Es gibt viele Dinge, die ich aus Sportlersicht einbringen möchte. Zum Beispiel sollten für junge Athleten die Limits so gestaltet werden, dass sie Motivation geben und nicht abschreckend hoch sind. Aus meiner Sicht dürfte es auch keinen EM-Marathon mit Start um 10:05 Uhr am 1. August geben. Das kann ja auch gefährlich für die Gesundheit sein.“

Was fällt dir spontan zu Barcelona ein?

„Ich war noch nie dort. Aber ganz klar: Der Olympiasieg von Dieter Baumann 1992 über 5000 Meter. Ich habe das im Fernsehen gesehen. Das war etwas Bewegendes, wie ein Weißer im Zielsprint alle Afrikaner geschlagen hat.“

Bilder: Günther Weidlinger beim Vienna City Marathon (Katzenbeisser), Ehrung zur Wahl der Leichtathleten des Jahres (Lepka), Poster zum EM-Marathon, mit Stefano Baldini in St. Moritz 2008 (Weidlinger):



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Andreas Maier | 11.6.2010

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