Leichtathletik-WM, 4. Tag: Gerhard Mayer im Diskusfinale!

Leichtathletik-WM, 4. Tag: Erster Österreicher in Diskus WM-Finale. - Mit 62,53 Meter schaffte er es als Elfter in den Endkampf am Mittwoch. - „Ein großartiges Gefühl.“

Der erste Versuch um 11:49 Uhr im Berliner Olympiastadion: Gerhard Mayer (Foto links: Plohe) geht in den Ring, fordert das Publikum zum Einklatschen auf. „Der ist locker drauf“, staunt sein Trainer Gregor Högler. Der Diskus fliegt etwas nach rechts, flattert leicht. Nach der Landung entschlossenes Kopfnicken bei Gerhard Mayer. 62,53 Meter werden angezeigt. Applaus und Schreie. Ein starker Beginn. Weiter als in Peking, wo er in der Qualifikation 61,55 Meter geschafft hatte. Högler: „Er hat den Versuch gar nicht richtig getroffen. Aber jetzt kann er voll angreifen.“ 17 Minuten später, zweite Runde: 59,33 Meter für Gerhard Mayer. In der Entry List lag er an 19. Stelle von 30 Werfern. Vor dem dritten und letzten Durchgang ist er auf dem elften Platz. Das Finale der Top-12 rückt in den Bereich des Möglichen. Reichen 62,53 Meter? Muss er sich nochmals steigern? Högler: „Ich hab ihm gesagt, er ist Zwölfter, damit er noch mal richtig angreift. Er soll jetzt auch aufs Einklatschen verzichten. Nur werfen.“

Die Favoriten zeigten Nerven
Der letzte Durchgang: Frantz Kruger, Olympia-Zweiter aus Finnland schafft 60,45m, zuwenig. Erik Cadee aus den Niederlanden, Saisonbestleistung 65,61m, wirft aus dem Sektor. Frank Casanas, Olympia-Fünfter aus Spanien, er hatte bisher zwei ungültige Versuche, kommt auf 61,10m – hinter Mayer. 12:19 Uhr, Gerhards dritter Versuch. 62,19 Meter – wieder stark, aber keine Verbesserung. Zwei kommen noch. Nikolay Sedyuk, Russland, macht 58,62 Meter. Markus Münch, der Deutsche mit Bestleistung 64,90m hat das Stadion als sein Wohnzimmer im Rücken, wirft 59,12 Meter. Damit ist es fix. Gerhard Mayer steht als erster Österreicher in einem Diskus WM-Finale.

„Das Größte, was ich bisher erreicht habe“
„Ein großartiges Gefühl. Das Größte, was ich bisher erreicht habe“, strahlt er und ballt dreimal die Faust. „Ich war nervös, nicht wirklich locker, aber es ist gut gegangen. Der optimale Wurf war noch nicht dabei. Fast optimal war es beim Einwerfen. Da bin ich über die Linie von 64,50 Meter gekommen. Das fast durchsichtige Netz beim Wurfring ist sehr angenehm, da fühlt man sich nicht so eingesperrt.“ Auch die Nervosität von Trainer Gregor Högler während des Wettkampfs fand einen positiven Ausgang: „Unglaublich, der erste Österreicher mit dem Diskus bei einer WM und dann schafft er es gleich ins Finale. Insgeheim haben wir es uns erträumt.“ Der Endkampf findet morgen, Mittwoch, 19. August, ab 20:10 Uhr statt.

Entwicklung Jahr für Jahr
Das WM-Finale, was immer Gerhard Mayer dort noch zeigen kann, ist ein toller „Next Step“ für den 29-jährigen SVS-Athleten. Mehrere Jahre lang blieb er stets nur wenige Zentimeter von der Qualifikation für internationale Meisterschaften entfernt. 2006 hat ihn ÖLV-Präsident Hans Gloggnitzer ins EM-Team für Göteborg entsandt, obwohl im das Limit fehlte. Mit dem 15. Platz und 59,54 Meter nutzte er diese Chance bei seinem ersten großen Auftritt. 2007 spielte er seine Konstanz und Wettkampfstärke bei der Universiade in Bangkok aus, wo er mit 61,55 Metern völlig überraschend Gold holte und mehrere starke Gegner schlagen konnte. Bei den Olympischen Spielen von Peking holte er an 18. Stelle mit 61,32 Meter das beste ÖLV-Resultat. Sehr konstant mit seinen Würfen im Bereich von 61-62 Metern, hatte er den „großen Wurf“ noch nicht im Wettkampf raus gelassen. Das änderte sich in diesem Frühjahr, als er in Chula Vista (USA) mit 64,16 Metern neuen ÖLV-Rekord erzielte. Eine kurz darauf in Salinas erzielte Weite von 65,06 Meter ist noch nicht anerkannt, weil Fragen bei der Topographie des Wurffeldes offen sind. Sicher ist: Auf seinem Wurfring in Franzensdorf nordöstlich von Wien und in der Scheune seines Onkels ebendort, wo er bei Schlechtwetter werfen kann, wird er an weiteren Weitenjagden arbeiten.

Mittwoch mit Schwarzl im Zehnkampf und Mayer im Diskus-Finale
Aus österreichischer Sicht wird der Mittwoch von der Früh weg spannend. Roland Schwarzl (Union Salzburg) startet um 10:05 Uhr gleich im ersten 100m Lauf des Zehnkampfs und ist den ganzen Tag über im Einsatz. 38 Athleten gehen an den Start. Am Abend steigt ab 20:10 Uhr das Diskusfinale mit Gerhard Mayer.

Schwarz Rot … - GOLD!
Der Dienstag brachte auch den ersten Goldjubel der Gastgeber. Für die WM-Stimmung im Veranstalterland nach zweimal Silber und einmal Bronze genau der richtige Kick. Steffi Nerius legte im ersten Versuch 67,30 Meter vor. In der Qualifikation kam sie nur mit Bauchweh und 61,43 Metern weiter. Das Finale gehorchte nach diesem Eröffnungswurf aber bis zum Schluss einer einzigen Dramaturgie: Jagd auf Steffi. Die WM-Dritte von 2007, Europameisterin von 2006 und Olympia-Zweite von 2004 schaffte keinen weiteren Versuch dieser Qualität, blieb aber unangetastet. Barbora Spotakova aus Tschechien, Olympiasiegerin und Weltrekordhalterin, rückte ihr im dritten Versuch mit 66,42 Metern nahe. Maria Abakumova schaffte im letzten Versuch 66,06 Meter – Bronze. Der letzte Wurf von Spotakova wurde von Publikumspfiffen begleitet, die in Jubel übergingen, als der Speer nach steiler Flugbahn bei 59,47 Metern landete.

„Stand up for the Champions“ wird in so einem Fall gespielt. Und „Simply the Best“. Auf der Ehrenrunde riss Nerius die Deutsche Fahne hoch, und das Publikum in jedem Sektor tat es ihr gleich. Die Dirigentin des Stadions. Das WM-Bärenmaskottchen „Berlino“ (Bild links: BOC) brachte bei einer stürmischen Umarmung die neue Weltmeisterin und sich selbst zu Fall. Im Überschwang stürzte auch eine Werbebande um. Der Jubel kollidierte mit der Siegerehrung 3000m Hindernis. Die strenge kenianische Nationalhymne passte so gar nicht zur Feierstimmung der deutschen Fans. Danach ging die Nerius-Hour in die Fortsetzung.

Kenia bleibt über Hindernisse unschlagbar
In den letzten Jahren fast ein Fixpunkt mit österreichischer WM-Beteiligung. Diesmal leider ohne Rot-Weiß-Rot. Dafür mit vier Kenianern, weil Titelverteidiger Brimin Kipruto automatisch gesetzt war. „Es wird nicht so schwer für uns, alle drei Medaillen zu gewinnen“, tönte dieser nach dem Vorlauf sehr selbstsicher. Er sollte als Siebter dazu aber nichts beitragen können. Am zweiten Kilometer zogen die übrigen Kenianer das Tempo an. Der Franzose Bob Tahri heftete sich auf die Fersen. So kämpfte eine Vierergruppe um drei Medaillen. In der Zielkurve sah es nach einem 1-2-3 für Kenia aus. Aber Tahri ließ sich nicht abschütteln – und Paul Kipsiele Koech konnte das Tempo nicht ganz halten. Es wurde sehr eng. Ezekiel Kemboi siegte in Meisterschaftsrekord von 8:00,43 Minuten. Der Olympiasieger von Athen und dreifach WM-Zweite holte sein erstes WM-Gold vor Richard Mateelong (8:00,89). Dann kämpfte sich Tahri zu neuem Europarekord von 8:01,18 Minuten und Bronze, acht Hundertstelsekunden vor Koech. Europameister Jukka Keskisalo aus Finnland lief ein hervorragendes Rennen und kam in 8:14,47 Minuten auf den achten Rang. Eliseo Martin aus Spanien war in 8:16,51 Minuten nur einen Rang dahinter.

Weltmeister des 4. Tages:
400m Hürden Männer: Kerron Clement (USA) 47,92 sec
3000m Hindernis Männer: Ezekiel Kemboi (KEN) 8:00,43min
Dreisprung Männer: Philips Idowu (GBR) 17,73m
400m Frauen: Sanya Richards (USA) 49,00 sec
Speerwurf Frauen: Steffi Nerius (GER) 67,30m

 

 

Andreas Maier | 18.8.2009

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