Team-Europameisterschaft, Tag1: Ein Fan-Bericht aus der Slowakei

Banska Bystrica gilt als Metropole der Mittelslowakei. Nach westeuropäischen Maßstäben klingt das etwas vollmundig, doch muss ich zugeben, die Stadt hat durchaus Flair. Das Wetter ganz und gar nicht. Die Niedere Tatra schickt Haufenwolken und die Große Fatra Wolkenhaufen. Regen inklusiv. Die Stimmung in der Mannschaft ist dennoch gut. Eine Großfamilie, die aus Läufern, Werfern, Springern, Kleinfamilien und Patchworkgruppen besteht.

Die zweite Liga ist mit acht Mannschaften bestückt, von denen allein vier östlich von Österreich und fernöstlich unserer Mentalität liegen. Es ist schwer, mit anderen Mannschaften Kontakt zu bekommen. Um 15.00 Uhr hört der Regen auf und Benjamin Siart fängt an. Das Hammerwerfen findet auf einem Nebenplatz des Stadions statt. Der Wurfkreis ist rutschig, die neuen Regeln für die Wurfdisziplin auch. Schon nach zwei Durchgängen scheiden zwei Werfer aus, nach dem dritten Durchgang nochmals zwei. Wie beim Märchen von Aschenputtel kommen die Guten ins Kröpfchen, die Schlechten ins Töpfchen. Benjamin lässt sich auf keine Experimente ein und wirft die beste Serie all seiner Europacupteilnahmen. Beim zweiten Wurf landet der Hammer bei 71,99m. Er bringt die Mannschaft mit 6 Punkten in die dritte Position.

Auch Elisabeth Pauer ist gut in Schuss. Sie bringt schon im ersten Versuch einen 55,80m-Wurf auf den Rasen und übernimmt die Führung. Die gibt sie auch nicht mehr ab. Diesmal landet die Höchstpunktezahl acht auf unserem Konto.
Danach gehen die Hürdenläuferinnen und -läufer auf die 400m-Strecke. Sabine Kreiner, mit Mann und Kindern angereist, beginnt couragiert und müht sich dann durch die letzten hundert Meter: 60,11 sec., 4. Platz und fünf Punkte. Phantastisch, wie sich Sabine immer wieder aufmunitionieren kann.

Florian Mayrhofer, 19, läuft ebenfalls mit voller Wattstärke an und schwimmt auf der Milchsäure ins Ziel. 53,26 sec. bringen ihn auf den sechsen Rang. Knapp an der persönlichen Bestzeit vorbei. Da hört sogar der Regen wieder auf.
Den Dreisprung der Frauen dominieren schlanke Beine und dicke Hoffnungen. Vor allem bei Michaela Egger, die ihr Trainingslager in Köln hat, bin ich optimistisch. Ein 13m-Sprung würde bei mir einen 13cm-Freudensprung auslösen. Michaela setzt nach drei großen Hopsern 12,75 in die Grube, und ich springe trotzdem vor Freude.

Bettina Müller-Weissina trägt im 100m-Lauf die papierene Favoritenrolle. Ein Vorteil ist so etwas nicht, ein Unglück auch nicht. Der Lauf verläuft aber ganz und gar unglücklich. Sie startet nicht optimal und kommt in den Regenpfützen auch nicht richtig in Schwung. Bettina wird Dritte.

Als Ryan Moseley startet, stehe ich bereits neben, über und unter mir. Es ist ein tolles Gefühl, schon vor dem Start zu wissen, dass der Sieger aus Österreich sein wird. Ryan ist eine Klasse für sich, läuft aufrecht und locker durchs Ziel und gewinnt mit 10,35 sec.

Einstweilen ist Österreich auf der Stadionanzeigentafel auf den ersten Gesamtrang aufgestiegen. Eine Sensation bahnt sich an. Davon haben nur die manischen Optimisten geträumt. Pamela Märzendorfer hat gestern beim Kartenspiel in illustrer Runde völlig versagt. Dafür bringt sie heute über die 800m ein tolles Rennen auf die Tartanbahn. Mit langen Schritten hängt sie im Endspurt in einem phantastischen Fight starke Läuferinnen ab und wird Fünfte. Persönliche Bestzeit obendrauf. Pech im Spiel, Glück im Rennen wäre eine Beleidigung.

Uli Lanz, unser Medizinmann, stellt unterdessen mit Entsetzen fest, dass bei so manchem Kugelstoßer der Bizeps größer ist als sein eigener Quadrizeps. Seit einer Stunde führt Österreich die Punkteliste an. Meist mit 5-7 Punkten vor der zweiten Nation. Ich wünsche mir, dass auch nur einer der Herabwürdigungsjournalisten hier wäre. Sie berichten lieber umfangreich von einem Trainerwechsel in der Landesliga Burgenland.

Felix Kernbichler, 21, legt ein feines Debüt hin, zieht zweihundert Meter vor dem Ziel den Endspurt an und wird Dritter. Den elegantesten Schritt hat er sowieso.

Der Name Clemens Zeller gehört seit Turin zum sportlichen Bildungskanon jedes Sportjournalisten. Er ist jederzeit für eine Weltklassezeit im 400m-Lauf gut. Seit heuer ist auch die Angst vor dem Schmerz der letzten 50m kleiner geworden. Clemens spurtet schon auf den ersten 200 Metern als wäre der Leibhaftige hinter ihm her. Niemand kann da mitzuhalten. Müßig zu erzählen, dass er seinen Lauf gewinnt. Die Zeit ist genauso wenig zu deuten wie das Wetter, dass mir einstweilen Angst vor einem Hochwasser macht. 46,41 sec. ist zugleich die Saisonbestleistung für Clemens.

Mein Blick auf die Resultatstafel lässt das Wetter leicht vergessen. Österreich liegt nach 12 Bewerben noch immer auf dem ersten Rang. Der Hochsprung der Männer macht mich ähnlich nervös wie ein mittelschwerer Zahnarztbesuch. Nur kein Salto nullo. Daniel Hosp, 20, befreit mich und springt lupenreine 2 Meter. Jennifer Wenth, 17, eröffnet beim 3000m-Lauf die Premiere der Ausscheidungsrennen. Sie lässt sich auf gar nichts ein und geht gleich mit der Spitze mit. Nachdem die zweite Leistungsgruppe ausgeschieden ist, hält sie sich geschickt in einer Dreigruppe und bringt den vierten Rang ins Ziel. Damit hat auch sie ihr gestriges Dilemma beim Kartenspiel ausgeglichen.

Michael Schmid, 25, gibt auch sein Debüt in der Nationalmannschaft. Und was für eines. Er läuft über die 5000m, ebenfalls ein Ausscheidungsrennen. Eine Zeit lang gibt er sich mit dem Dahinnudeln der Gruppe zufrieden. Nach 2000m hat er aber genug und erklärt den anderen, was für ihn ein flottes Rennen bedeutet. Er enteilt dem lang gezogenen Feld und macht sich seine eigene Musik. Ich stehe bereits auf dem Sessel und schreie mir die die Stimme aus dem Leib. Das miserable Wetter verhindert zwar eine neue Bestzeit, aber nicht den souveränen Sieg. Nach Ende der Bewerbe wird die Männerstaffel leider disqualifiziert, das ist bitter. Aber wir sind noch auf Aufstiegskurs!

 

Herbert Winkler

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