Turin aus der Sicht eines Fans (3. Tag)

Ein italienischer Siebenkampftag
Um 5.30 Uhr ist es in Turin noch dunkel. Lediglich die nahen Westalpengipfel sind schon zartrosa beleuchtet. Die Westalpentäler Valle di Susa und Val del Chisone sind verschneit. Turin ist wolkenlos. 5.30 Uhr ist die Zeit, in der Roland Schwarzls zweiter Wettkampftag im Siebenkampf beginnt. Er, seine Frau Sandra und „Praschi“, Physiotherapeut Wolfgang Praschesaits, sitzen allein im Frühstücksraum, während alle anderen noch schlafen. Die Busfahrt zum Stadion entwickelt sich italienisch, nämlich gar nicht. Der Bus ist frühzeitig abgefahren. Die angegeben Abfahrtszeit war offenbar nur ein Vorschlag für die Passagiere.

Roland ist, laut Beschreibung von Sandra, ein sonniger Mensch. Seine gute Laune ist beinahe unbegrenzt. Daher wird am Transportwesen der Veranstalter nicht lange herumgenörgelt, sondern ein Taxi genommen. Ärgern bringt auch wirklich nichts, wenn heute noch drei Disziplinen auf dem Programm stehen. Also gilt es gut aufzuwärmen und sich zu konzentrieren.

Nur nicht geizen!
In der Halle wartet schon Uli Lanz. Er bringt mit geheimen medizinischen Griffen die Muskulatur auf Betriebsbereitschaft. Um 9.15 Uhr fällt der Startschuss für die 60m Hürden. Roland ist gut motiviert, und das hat auch seinen Grund. Erstens sitzen die Eltern unter den Zuschauern und zweitens hat Roland Schwarzl gestern mit Saisonbestleistungen nicht gegeizt. Er beginnt den Tag mit einem Konto von 3.277 Punkten. Es gilt, unter die besten zehn zu kommen. Nach 8.17 sec. ist klar, dass dies gelingen wird. Roland erhöht die Punktezahl auf 4.216, und ist damit Achter im Feld der Mehrfachkämpfer. Im Hotel stehen nun die letzten Athleten auf und die Funktionäre zum Essen an.

Für Roland ist nur eine kurze Pause vorgesehen, in der er von „Praschi“ massiert wird. Dann geht es zum Stabhochsprung. Die Motivation ist nach wie vor gut, der Körper meldet aber Sehnenprobleme in der Kniekehle. Das Essen besteht aus kleinen Happen und großen Schlucken. Hydrate von der Kohle sind die wichtigsten Energielieferanten.

Sonnenfinsternis beim Stabhochsprung
In der Sporthalle ist es kuschelig leer. Vielleicht 200 Zuschauer erleben ein familiäres Beisammensein mit den Siebenkämpfern. Gute Stimmung gibt es trotzdem, da alle Sportler ausnahmslos angefeuert werden. Roland steigt bei 4,60m ein und bewältigt 4,80m im zweiten Versuch. Er hätte mit diesem Sprung auch 5,10m überquert, soviel Luft war zwischen Körper und Latte. Leider scheitert er dann drei Mal bei 4,90m. Anderen Konkurrenten geht es nicht besser. Die stärksten Stabhochspringer im Feld scheiden vorzeitig aus. Wofür andere Athleten spektakuläre Langzeitmeditationen brauchen, um ihre Enttäuschung zu überwinden, steckt Schwarzl mühelos weg. Er packt seine Sprungstäbe ein und macht Pause. Lediglich Sandra sieht einer Sonnenfinsternis ähnlich. Sie rechnet und berechnet, lizitiert und reduziert die nun wichtige Zeit für die 1000 Meter. Roland ist nach wie vor am achten Platz und hat einstweilen 5.065 Punkte.

Pausenmenü aus dem Koffer
Roland hat Hunger und will ein wenig schlafen. Die Schwarzls haben einen Verpflegungskoffer von der Größe eines Biedermeierschrankes mit. Es fehlt weder an Salben noch an Spezialessen. Die gesamte Mannschaft könnte damit eine halbjährige Isolation in einem Kellerverlies überstehen.

Um 15.45 Uhr versammeln sich die glorreichen Siebenkämpfer zum Kilometerlauf. Es sind noch 13 an der Zahl im Wettkampf. Zwei mussten bereits aufgeben. Roland läuft ein tapferes Rennen und bringt eine neue Saisonbestleistung auf die Bahn. Die Uhr bleibt bei 2:47 Minuten stehen. Großartig. Nach Jahren der Verletzungen, Neustarts und Rückschlägen hat er wieder Einzug in die Spitzenathletik gehalten. Er wird mit 5.859 großartiger Zehnter. Nicht nur das. Er hat in sechs Disziplinen Saisonbestleistungen aufgestellt.

Höhenluft des Finales
Am Ende des Tages gibt es noch viel Freude über Ryan Moseley. Er hat gezeigt, dass er zu den besten acht Sprintern in Europa gehört. Ich freue mich sehr, dass endlich wieder ein Österreicher in der tobenden Halle sich mit den Stars über die 60m-Strecke messen kann. Die Platzierung in der Höhenluft eines Finales ist für mich dabei Nebensache.
 

Herbert Winkler | 8.3.2009

BugReport senden | Programming by Stefan Walkner 2006 | Design by RK | Impressum