Kapfenberg – aus der Sicht eines ehrenamtlichen Fans, 1. Tag

Eine Staatsmeisterschaft ist immer ein besonderes Ereignis. Die heurige Meisterschaft erst recht, war es doch jenes Meeting, bei dem zum letzten Mal die Eintrittskarten für Peking verkauft wurden. Nur Gerhard Mayer und Günther Weidlinger hatten sie bereits in der Tasche. Moseley, Mayr, Pröll oder Müller-Weissina hatten das „Geld“ nach Kapfenberg mitgebracht und wollten das Ticket noch nachkaufen.

Kaum hatte ich Platz genommen, flogen schon die Hämmer. Benjamin Siart kam gestärkt zum Wettkampf, hatte er doch vorige Woche in Ried/Innkreis den Hammer auf 71,50m geworfen und danach vor Freude einen indianischen Totemtanz gezeigt. Auch diesmal war er in guter Wurflaune und schleuderte das Gerät auf 70,31m.

Dann treffe ich einen in letzter Zeit nicht gerade freudgeprüften Hans Gloggnitzer. Die Dopingfälle und die Kommentare so mancher Worthülsenhändler in der Presse hatten dem ÖLV zugesetzt. Keine Plattitüde war zu platt, um die österreichische Leichtathletik zu diskreditieren. Dass die vielgeliebten Kicker einstweilen im Weltgebäude des Fußballs in der Tiefgarage wohnen, wurde dabei charmant übersehen. Präsident Gloggnitzer war aber durchaus gut gelaunt.

Bald starteten auch die Speedies über die 100 Meter. Leider bei Gegenwind. Bei den Männern trafen sich die Auslese und Spätlese der Sprinter: Moseley, Chudarek, Matzner, Kwitt, Grill und Zeller. Alles Athleten, die ihre Bestzeiten weit unter 11 Sekunden angesiedelt haben. Eine hohe Leistungsdichte, wie es sie schon lange nicht gegeben hat. Beim Finale herrschte eine Windstärke wie beim Schwerwassersegeln und verdarb den Eliteläufern die Zeiten. Imponierend wie Kwitt mit Moseley mitging und sich Zeller und Chudarek matchten.

Bei den schnellen Damen war natürlich Bettina Müller-Wessina die Favoritin. Im Vorlauf drehte sogar der Gegenwind um und Bettina auf: 11,40 sec. und Saisonbestleistung. Im Endlauf kümmert sie sich nicht um Luv und Lee und lief gar 11,37 sec. Großartig! Wäre ich im Olympischen Komitee, ich würde sie forcieren.

Die 800m der Männer waren ein besonderer Leckerbissen, waren doch alle Asse der zwei Runden dabei: Rapatz, Kronschläger, Kernbichler und Kalkgruber. Matthias lief ein engagiertes Rennen und drückte mächtig aufs Gas. Andreas Rapatz zündete erst die letzten 100 Meter seine volle Wattstärke und bewies, dass er der Herr der 800 Meter ist.

Für Clemens Zeller drückte ich bei seinem Leibgericht, die 400m flach, besonders die Daumen. Mit einem Gewürzladen von Vorschusslorbeeren wurde er bedacht, glaubten doch einige an das Olympialimit. Clemens brachte 46,35 sec. auf die Bahn, erzielte eine neue Saisonbestzeit und ist für mich ohnedies ein großer Hero. Auch Andreas Rapatz zerspragelte sich als Zweiter des Laufes und wurde mit einer persönlichen Bestzeit von 48,00 sec. belohnt.

Andrea Mayr war auch da. Sie gewann sowohl die 3000m Hindernis wie auch die 5000m. Das alles innerhalb einer Stunde. Eine spektakuläre Wiedergutmachung ihrer Frustmeldung nach Luzern. Vor kurzem erst hatte sie den österreichischen Rekord über 3000m Hindernis auf 9:47,61 verbessert. In Luzern vorige Woche musste sie den Lauf aufgeben. Sie hätte es sich verdient, nach Peking entsendet zu werden, hat sie doch oft genug die Reputation der Leichtathletik aufmöbliert. Das Grüppchen der Leichtathleten ist im Gepäck der österreichischen Olympioniken ohnedies nur die Tara und vier, fünf oder sechs Athleten wären eine gute Werbung für die leichte Athletik.

Auf den 3000m Hindernislauf der Männer freute ich mich besonders. Martin Pröll war natürlich der große Favorit und wurde dieser Bezeichnung auch mehr als gerecht. Dabei war aber auch „Schurli“ Mlynek. Diesmal ohne Designerbrille und Kompressionsstutzen. Georg ist ein stabiler Läufer auf ambulanten Laufstrecken, egal ob es um flache oder wasserführende Laufdisziplinen geht. Und er enttäuschte mich nicht. Er zog nicht nur über zwei Runden das Anfangstempo an, sondern rettete auch mit einem Endspurt den zweiten Platz.

Am Ende des Tages wurde ich nochmals nervös. Die prominenten Damen und Herren des ÖLV-Vorstandes zogen sich zurück und berieten über jene Athletinnen und Athleten, die dem ÖOC zur Entsendung nach China vorgeschlagen werden. Ich hoffte sehr, dass sie generös sein werden.
Herbert Winkler | 19.07.2008

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