Analyse Berglauf: Europameisterschaft von Asiaten dominiert

Der Berglauf hat sich bei den Europameisterschaften die letzten Jahre zunehmend zu einer türkisch-italienischen Angelegenheit entwickelt. Bei der Siegerehrung der 7. Berglauf EM im deutschen Zell/Harmersbach (Schwarzwald) auf einer technisch anspruchsvollen Bergauf-Bergab-Runde wurde gerade zweimal die russische Hymne gespielt und einmal der Union Jack an oberster Position aufgezogen (für die Mannschaftswertung der Frauen), sonst herrschte eine Stimmung wie bei einem Türkei-Italien Ländermatch.

Den Beginn machten die weiblichen Junioren mit einer Runde über 4,2km. Wie gewohnt, sprinteten die türkischen Läuferinnen vom Start weg in einem Höllentempo los, wobei es in diesem Lauf noch dazu gleich einmal bergab ging, bevor der steile Anstieg kam. Zwei der anfangs zu dritt führenden Türkinnen „verglühten“ dann allerdings unterwegs und die erfahrenden Russinnen Bykova und Prorokova konnten Gold und Bronze ernten, die Silbermedaille ging an die Türkin Gullu. Österreich war durch die EM- und WM erprobte Tanja Eberhart vertreten und durch Lisa-Maria Leutner, die einen einmaligen Abstecher zur Berglaufszene unternahm. Beide hielten sich im Mittelfeld, wobei Leutner im zweiten Streckenteil ihre Bergablaufqualitäten ausspielen konnte und am Ende am 15. Rang landete, 23 Sekunden dahinter Eberhart auf Rang 18. Gerade in diesem Bewerb zeigte sich die zunehmende Dichte im Berglauf. Leutner lag 1:17 hinter der Siegerzeit (18:45), mit diesem Abstand hätte man im Vorjahr noch die Bronzemedaille erlaufen. In der Mannschaftswertung erreichte das Österreichische Team den 6. Rang.

Bereits voriges Jahr in Cauterets dominierten die Türken das Rennen der männlichen Junioren mit den Plätzen 1 – 3, wobei der deutsche Vertreter in der Spitzengruppe etwas unsportlich abgedrängt, bespuckt und beschimpft wurde. Auch in Zell ließen die türkischen Vertreter, durchwegs etwas älter wirkend, keinen Zweifel an ihrer Dominanz aufkommen. Pak Hasan, der bei der vorjährigen WM schnellster Europäer war (aber wie die anderen Türken aus dem ostanatolischen Asien kommt), lief einem sicheren Sieg vor seinen Teamgefährten Demir und Akalin entgegen. Immerhin Rang 4 für den deutschen Vertreter Rene Stöckert, der damit den gleichen Platz wie sein großer Bruder im Vorjahr erreichte. Die Hoffnungen der Österreicher ruhten vor allem auf den beiden Erstplatzierten der Staatsmeisterschaften, dem Vorarlberger Jakob Mayer und dem Salzburger Andreas Polednak. Diese beiden erreichten dann auch mit Rang 11 und Rang 14 im 41-köpfigen Teilnehmerfeld die besten Österreichischen Platzierungen. Achtbare Leistungen auch von Alexander Holkovic (29.) und dem Teamneuling Paul Steininger (34.), der auch durch seine rot-weiß-rot gefärbten Haare seinen Patriotismus zur Schau stellte. Das rot-weiß-rote Team belegte den 5. Rang.

Bei den Damen ging auf der schwierigen, unrhythmischen Strecke die Italienerin Desco als Favoritin ins Rennen. Anfangs führte zwar die Britin Tunstall, am Ende der zwei Runden (so wie bei den männlichen Junioren) lag aber Desco doch recht deutlich vorne, was unter der starken italienischen Fantruppe zu ersten Siegesfeiern Anlass gab. Zweite wurde dann etwas überraschend die Französin Devillers, Tunstall rettete die Bronzemedaille fürs britische Königsreich. Für die Österreicherinnen gab es ohne die Vorjahreszweite Andrea Mayr natürlich keine realistischen Hoffnungen auf Spitzenplatzierungen. Mit der schwierigen Strecke kam Irmgard Kubicka am besten zurecht und lief auf den beachtlichen 23. Rang unter 71 Starterinnen. Ihre gleich „junge“ Teamkollegin (Jg. 60) Carina Lilge-Leutner hatte keine rechte Freude mit den steilen Bergab-Streckenteilen, wo sie sich gleich beim ersten Steilstück noch leicht verletzte, sie belegte in der Endabrechnung Rang 35. Einen zufriedenstellenden Einstand im Nationalteam zeigte „Teambaby“ Karoline Reich mit Rang 43. Sie hat sicher Potential und um sie herum kann sich eine neue Berglauf-Athletengeneration formieren, was dringend notwendig wäre.

Bei den Männern kam es zum erwarteten italienisch-türkischen Duell. Überraschenderweise war es aber der junge Azzurro Bernard Dematteis, der das Feld lange anführte und nicht die arrivierten De Gaspari (mit einer leichten Muskelverletzung angetreten) oder Gaiardo. Wie schon im Vorjahr verhinderte der Türke Ahmet Asslan mit einem starken finish einen italienischen Sieg und trieb die zahlreichen türkischen Fans mit seinem letztlich deutlichen Sieg zur Ekstase. Dematteis und De Gaspari konnten sich aber mit Silber und Bronze und dem Mannschaftstitel trösten. Unter den 84 Startern belegte Manfred Heit den 36. Rang, Thomas Heigl wurde 52. Innerhalb des gestarteten Österreicher Trios lag lange Zeit der junge Bernd Weberhofer an aussichtsreicher Position, eine Top 30 Platzierung in Griffweite. Er kämpfte am letzten Anstieg wahrlich bis zum Umfallen und kollabierte ungefähr einen Kilometer vor dem Ziel. Der Elektrozaun am Streckenrand, auf dem er zum Liegen kam, hielt ihn bei Bewusstsein, bevor sich die herbeigeeilten Sanitäter um ihn kümmern konnten. Ein paar Minuten später wollte er unbedingt wieder weiterlaufen, woran ihn der Arzt allerdings hinderte und ihm zur „Freifahrt ins Tal“ im Sanitätsauto zwang.

Nach groben organisatorischen Mängeln der letztjährigen EM (Frankreich) und WM (Schweiz) demonstrierte das Veranstalterteam in Zell/Harmersbach, dass es auch anders gehen kann. Vor allem die Athleten – um die geht es schließlich – waren sich einig, das war die bestorganisierte EM, die es je gegeben hat! Die Veranstalter kümmerten sich äußerst bemüht um alle Dinge rundherum, sodass sich die Athleten „nur“ mehr aufs Laufen konzentrierten konnten. Die Infrastruktur mit der Schwarzwaldhalle direkt neben dem Start und allen Athletenhotels in Gehentfernung war ideal. Da haben es sich die Organisatoren nicht verdient, dass die Eröffnungsfeier einem Gewitterguss zum Opfer fiel. Jedenfalls hat einfach alles von Akkreditierung bis zur stimmigen Siegerehrung perfekt funktioniert und kommende Veranstalter werden an Zell gemessen werden.

Mit großem Aufwand wurde die langlaufloipen-ähnliche Strecke präpariert. Potentielle Gefahrenstellen im steilen Bergab-Gelände wurden so weit wie möglich entschärft und sogar eine massive Läuferbrücke – auch vom Langlaufbereich bekannt – wurde für die Bildung einer attraktiven und herausfordernden Zielschleife konstruiert. EAA-Präsident Hansjörg Wirz konnte sich jedenfalls vor Ort von der Veranstalterkompetenz überzeugen und 26 Nationen am Start begrüßen.
Offenkundig wurde wieder ein Problem des internationalen Berglaufes, wofür die Veranstalter wahrlich nichts können. Eigentlich immer mehr Spitzenathleten verweigern vor allem aus gesundheitlichen Gründen die Teilnahme bei bergauf-bergab führenden Meisterschaften und starten deshalb nur jedes 2. Jahr bei einer EM. Es ist eigentlich total absurd, dass es im alpinen Raum praktisch eine unendliche Vielfalt an attraktiven Berglaufstrecken (bergauf) gibt und dann muss ein Veranstalter in mühevoller Kleinarbeit einen Hügel im schönen Schwarzwald präparieren, um dort eine Berglauf EM zu veranstalten. Ein Jahr dauert noch die Amtsperiode des WMRA Councils um Danny Hughes, vielleicht ist nach einer Neuwahl mit einem neuen Gremium ein Durchstarten des internationalen Berglaufs möglich, der dann ausschließlich auf „richtigen“ Bergen stattfinden könnte. Für die Alpenländer Österreich, Schweiz, aber auch eigentlich Veranstalternation Deutschland brachte diese medaillenlose EM jedenfalls die nicht unerwartete Einsicht, dass alleine das Vorhandensein von Bergen noch lange kein Garant für Erfolge im Berglauf bedeutet. Will man mittel- und langfristig in dieser Sparte erfolgreich sein, so wird man gezielt Berglaufteams bilden und strukturiert führen müssen und sich nicht auf Nebenbei-Bergläufer verlassen können.
W.Lilge

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